Judassohn
verbargen.
»Lauf!«, stieß Tanguy hervor und rannte los, zerrte seine Geliebte hinter sich her.
»Nicht aus dem Wald«, keuchte sie. »Auf dem Weg sind wir leicht zu sehen. Wir müssen uns verstecken!«
Das war leichter gesagt als getan. Viel Buschwerk gab es nicht, die Stämme waren mehr oder weniger der einzige Schutz. Aber da der Räuber ihnen dicht auf den Fersen war, durften sie nicht ans Verbergen denken. Allein die Flucht bedeutete Rettung.
»Du dämlicher Hundsfott!«, hörten sie die helle Stimme aus weiter Entfernung rufen. »Du bekommst keinen Anteil!«
»Den hole ich mir woanders«, knurrte Malo. »Bei der Kleinen hier. Er wird süßer sein als sonst!«
Tanguy ahnte, dass ihr Verfolger zu schnell für sie war. In dem langen Kleid konnte Gwenn nicht so rennen, wie es nötig war. Daher blieb er an einer lichtdurchfluteten Stelle stehen, um den Widersacher besser erkennen zu können, und ließ ihre Hand los. »Renn weiter! Raus auf den Weg und zurück zur Straße!«, wies er sie an und reckte das Messer gegen den anstürmenden Gegner. Er sah ihr an, dass sie widersprechen wollte. »Lauf, um Himmels willen! Wir sehen uns später.« Sie hetzte davon.
Malo blieb vor ihm stehen. Er war einen Kopf größer als Tanguy und ein Bär von einem Mann. »Soso. Du bist dir sicher, ihr Möschen noch mal kosten zu dürfen?« Ein dichter schwarzer Bart ließ sein Gesicht noch bösartiger wirken. »Wenn sie es mit einem echten Mann getrieben hat«, er pochte sich gegen die breite Brust, »wird sie einen Hänfling nicht mehr in sich reinlassen wollen.« Das fleckige Licht verlieh Malo etwas Unwirkliches. Der abgetragene Dreispitz auf seinem Kopf hatte einst einem Soldaten gehört. Die Kleidung war ein wüstes Sammelsurium, vermutlich bestehend aus den Sachen derer, die er ausgeraubt hatte. Er blieb stehen, hob die Muskete und legte locker an, spannte den Hahn. »Was willst du mit dem Messer, Idiot?«
Tanguy schluckte, aber die Spucke wollte nicht rutschen. »Mit dir kämpfen!«
»Warum sollte ich das tun? Ich habe eine Muskete.« Malo zielte lachend auf seinen Kopf.
Tanguy ließ sich fallen, gleichzeitig krachte der Schuss. Die Kugel sirrte an ihm vorbei und bohrte sich in den Stamm neben ihm, riss Rinde ab. Er rollte sich über die Schulter nach vorne, durch den wabernden Pulverdampf, und stach mit dem Messer zu.
Die spitze Klinge jagte dem verdutzten Räuber durch den Oberschenkel. Aufschreiend zog er das Knie hoch und traf Tanguy an der Stirn. Benommen fiel dieser auf den Hosenboden.
»Du …« Malo drosch mit dem Musketenlauf nach ihm. »Ich erschlag dich!«
Unwillkürlich drehte sich Tanguy zur Seite und hieb mit der Faust gegen den Griff des Messers, das noch immer im Bein des Räubers steckte. Voller Wucht schnitt es sich durch das Fleisch und fiel auf den Waldboden.
Jetzt brüllte Malo und strauchelte, die breiten Prankenhände um das lose Fleisch geklammert. Das Rot sprudelte nur so zwischen den Fingern hervor. »Du Hundeficker!«, kreischte er und langte mit einer Hand nach dem Griff seiner Pistole. Er zog die Waffe und richtete sie an Tanguy vorbei scheinbar ins Nichts. »Ich knall das Möschen ab, dann hast du auch nichts von ihr.«
Ohne nachzudenken, warf sich Tanguy auf den Mann und drückte den Arm mit der Waffe zur Seite.
Der Schuss löste sich neben seinem Ohr. Es fiepte augenblicklich, ein stechender Schmerz zuckte durch das geschundene Gehör, dann vernahm er auf der rechten Seite nichts mehr. Der Knall hatte ihn taub gemacht!
Malos blutige Hand schloss sich um seine Kehle. »Beschissener Hundeficker!«
Tanguy wurde herumgeschleudert und gegen die weiche Erde gedrückt. Er roch das Laub, die nach Pilzen duftende Feuchtigkeit; dann spürte er das Gewicht des Räubers auf seinem Rücken und bekam einen Schlag gegen den Kopf.
»Du hast mir meinen Fick versaut. Das überlebst du nicht!«
Tanguy rang nach Luft und atmete Dreck mit ein, musste husten und drohte zu ersticken, während Malo dröhnend zu lachen begann.
Ich muss Gwenn beschützen!
Furcht und Sorge verliehen ihm übermenschliche Kräfte.
Er bäumte sich auf, schlug um sich und bekam die Beinwunde zu fassen. Mit den Fingern langte er hinein und riss am angeschnittenen Hautlappen.
Malo brüllte wieder und rutschte nach hinten. »Lass los!«
Aber Tanguy zerrte und bohrte wie ein Wolf an seinem Opfer, klammerte und hielt den Gegner fest. Das Gewebe riss, öffnete sich weiter. Der Lebenssaft rann wie aus einem geöffneten
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