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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Der neue Name klang nicht besser und schlechter als sein bisheriger. Aber er gefiel ihm nichtwirklich. Er würde so lange Mocsár heißen, bis ihm etwas Schöneres begegnet war, nach dem er sich nennen könnte. Autre war von diesem Herzschlag an Vergangenheit. »Und was jetzt?« Einerseits fühlte er sich erniedrigt, andererseits bot sich ihm die Möglichkeit, mehr über seine Vergangenheit und sein Dasein zu erfahren. Dieses Wesen konnte ihm dabei helfen zu verstehen,
was
er war.
    »Wir gehen zu meiner Hütte.« Szomor zeigte auf den Mond und lief los. »Immer in diese Richtung.«
    Mocsár folgte ihm aus vielen Gründen. Schuld, Neugier und Erleichterung, nicht mehr allein zu sein. Gleichzeitig fürchtete er sich ein wenig vor dem, was er zu hören bekommen sollte.
    Judassohn
.
    So hatte ihn Szomor genannt, der lang und dünn vor ihm herrannte.
    Was mag das zu bedeuten haben?
Spätwinter 1781/82, Frankreich,
Süd-Bretagne, irgendwo in der Brière (Pays noir)
    Szomor und Mocsár saßen am kleinen Esstisch und schrieben beide mit Entenkielen wie die Besessenen auf die leeren Seiten ihrer Notizbüchlein.
    Es wird immer mehr!
    Eine Kanne mit Tee dampfte vor sich hin, das Getränk in der Tasse seines Mentors dagegen war bereits kalt.
    Ein Wintersturm heulte durch die Brière und jagte Schneeregen durch das Pays noir. Richtig kalt war es nicht und wurde es auch nicht, aber wer nicht musste, ging an diesem Abend nicht hinaus. Der frische Wind drückte sich durch die Ritzen und fand einen Weg in das große Haus, das Szomor als Hütte bezeichnet hatte und das einst ein Stall gewesen war.
    Szomor hatte ihn nach und nach umgebaut. Oder vielmehr umbauen lassen. Als legendärer Riese entführte er sich Menschen und ließ sie für sich schuften, bis sie vor Entkräftung starben. Daraus machte er keinen Hehl und bezeichnete es als Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht. Die Leichen fraß das Moor.
    Und ich war richtig schnell mit dem Schreiben.
    »Bist du fertig für heute?«, fragte Szomor, ohne aufzublicken. »Wenn ja, könntest du eine Leiche entsorgen. Sie liegt neben deinem Verschlag.«
    Mocsár sah den Hexer und Alchimisten an, der den Wundern der Natur und übernatürlichen Mächten nachstellte. Einiges hatte er ihnen schon entlocken können, wie das Wunder des Schwebens, der Unsichtbarkeit und die Manipulation des Schalls. Da die normalen Brièrones kein Verständnis für sein Streben hatten, lebte er im Sumpf. Das hatte er Mocsár erklärt.
    Ob ich es eines Nachts auch zu tun vermag? Das wäre zu schön. Was ich damit alles erreichen könnte! Sobald ich gut genug geworden bin, werde ich die Gegend verlassen. Ich möchte mehr von der Welt sehen. Möglicherweise lässt mich die Alchimie gegen die Sonne bestehen. Bei Tag umherlaufen, ihre warmen Strahlen spüren …
    Er schaute sich um, was er zu gerne tat. Es fanden sich immer Sachen, die er malen konnte.
    Das Haus war vollgestopft mit Kesseln, mit Gläsern voller absonderlichster Dinge, von Augen, die weder Mensch noch Tier gehören konnten, und Insektenbeinen über Pülverchen, Steine bis zu bunten Stäuben und vielem mehr. Auf vier breiten, verdreckten Eichentischen stapelten sich Gerätschaften, deren Sinn sich Mocsár nicht erschloss.
    Und er sah sie: die nackte Leiche, die Szomor neben seinem lichtundurchlässigen Kabuff abgelegt hatte. Sie war einmal ein lebendiger Fischer gewesen, an dem der Hexer seine Experimente vollzogen hatte. Er hatte den Mann gefangen und Nadeln undSpritzen in den Unglücklichen gesteckt. Es war nicht der Erste, dem Szomor Mittel in die Venen gedrückt und den er in den Käfig neben dem Haus gesperrt hatte, um die Wirkung studieren zu können.
    Pechvögel, allesamt.
    Mocsár beugte sich über das Büchlein, in das er gerade zeichnete. Seite um Seite. Außerdem trug er alles ein, was ihm Szomor zu den Kindern des Judas und den anderen Arten von Vampiren berichtet hatte.
    Denn genau das war aus ihm geworden: ein Blutsauger. Ein Untoter.
    Er hatte aus dem Munde seines Mentors zum ersten Mal von diesen Wesen gehört, und das war die schrecklichste Ironie an seiner Verwandlung: unwissend und unverschuldet zu einer Kreatur der Nacht geworden. Untot bedeutete zudem, dass er zwar gestorben war und sein menschliches Leben ausgehaucht hatte, aber das durchbohrte Herz von unheiligen Kräften zum Schlagen gebracht worden war. Gott war nicht länger zuständig für ihn. Sondern das Böse, obwohl er nichts Verwerfliches getan hatte.
Vielleicht kann mir

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