Judassohn
Gebräu in seine Tasse. »Seit die Judaskinder meine Mutter getötet haben und ich fliehen musste, habe ich geschworen, jedes von ihnen zu vernichten.« Er prostete Tanguy zu. »Du bist eine Ausnahme. Meine erste, übrigens.«
»Weswegen?« Tanguy war noch leicht geschockt.
Ich habe meine Lieben ermordet … Der Tod wäre mir schöner erschienen, als mit dieser schrecklichen Wahrheit leben zu müssen.
Er stockte.
Wie lange lebe ich überhaupt?
»Weil du anders bist. Die Kinder des Judas haben sich in ihrer Heimat zu einem Bund vereint, der eigene Ziele verfolgt und jeden ausmerzt, der sich ihnen entgegenstellt. Ein Dreckshaufen arroganter Blutsauger, die keinen Deut besser als andere sind. Sie mögen mir in manchen Bereichen der Alchimie voraus sein, aber ich komme noch hinter ihre Geheimnisse.«
»Welche Geheimnisse?«
»Sie wollen unsterblich werden und mischen die abscheulichsten Dinge, um ihre nichtswürdigen Leben zu verlängern und der Hölle zu entkommen. Denn dahin fahren sie, wenn sie sterben müssen.« Der Hexer deutete mit dem linken Zeigefinger auf ihn. »
Du
bist nur ein Vampir, der zwar zu ihrer Art gehört, aber nicht durch ihre Lehren und die rigorose Erziehung verdorben wurde.«
Tanguy wurde heiß und kalt.
In die Hölle, wenn ich sterbe
. »Ich dachte, ich bin untot und lebe … na ja … unendlich«, warf er leise ein.
»Nein. Das tust du nicht. Mensch, Vampir, Werwolf – sie alle müssen irgendwann vergehen. Und frage mich nicht, wie lange du zu leben hast. Ein paar Jahrzehnte mit Sicherheit. Auf den Tod habe ich ebenso wenig Lust wie du.« Szomor zuckte mit den Achseln. »Anscheinend war dieser Malo ein Judasbastard, der sich bis zu uns an den Atlantik durchgeschlagen hat. Ungewöhnlich, aber so ist es nun mal geschehen.« Er trank seine Tasse aus. »Du bist nicht schlecht, Mocsár. Und nicht schlimmer als die französischenWerwölfe. Damit kann ich leben.« Szomor grinste selbstgefällig. »Ich werde dich vorbereiten. Solltest du jemals einem anderen Judaskind begegnen, so rate ich dir: Töte es! Zögere nicht. Schlage ihm den Kopf ab und verbrenne den Leichnam. Sie sind Abschaum, der eifersüchtig über die Erfolge anderer wacht.«
»Welche Erfolge?«
»Hast du mir nicht zugehört?« Szomor deutete mit dem Daumen hinter sich. »Alchimie. Die wahren Judaskinder forschen und ergründen die Naturgesetze so wie ich. Kein Vergleich zu diesem rohen Malo. Deswegen dachte ich bei unserer Begegnung, sie hätten einen ihrer Eleven gesandt, um mich umzu bringen. Sie waren schon damals neidisch auf mich und meine Mutter.«
»
Eleve
ist eine Bezeichnung für deren Schergen?«
»Nein. Es sind … die Schüler der Alten und werden eines Tages deren Nachfolger. So hörte ich.« Er blickte ihm in die Augen und richtete sich weiter auf. »Schwöre, dass du jedes Judaskind töten wirst, Mocsár! Sei der Racheengel für meine ermordete Mutter! Sei der Racheengel für deine geliebte Gwenn!«
Tanguy überlegte nicht lange. Er stand in der Schuld des Hexers, der ihn schützte, ihn unterrichtete und ihm dabei half, die eigenen neuen Kräfte zu erkunden.
Ohne Malo und die Kinder des Judas würde Gwenn noch leben. Ohne die Vampire hätte ich eine Familie, einen Weiler und eine Heimat!
Der Hass ließ ihn das Ja förmlich herausschreien, die Fangzähne schnellten hervor.
Wie gern würde ich einen von ihnen zerfleischen!
Szomor lächelte zufrieden und sank in sich zusammen; sein Blick wurde freundlich. »Gut. Sehr gut, Mocsár! Von heute an werde ich dich noch besser vorbereiten, damit du ausziehen kannst und so viele wie möglich von ihnen zur Strecke bringst. Wir müssen herausfinden, wie du es schaffst, deinen Leib durchschimmernd werden und dich vom Wind tragen zu lassen. Deinekörperliche Kraft und deine Schnelligkeit ertüchtigst du weiterhin im Kampf gegen mich.« Er rieb sich die Schläfen. »Was uns noch fehlt, ist, dass du Unwetter und Wolken beherrschst. Meine Mutter sagte mir, dass die Judaskinder auch in der Lage wären, die Gestalt eines Tiers anzunehmen sowie ihre Züge und Stimme zu verändern.«
Für Tanguy klang es nach einem unüberwindbaren Berg von Aufgaben. Und glaubhaft erschien es ihm obendrein nicht. Solche Macht …! »Wie viel Zeit bleibt mir?«
»So lange, wie es dauert. Streng dich an, und es geht schneller.«
»Nein. Ich meinte als Vampir. Wie lange lebe ich?«
»Du kannst es nicht lassen, nicht wahr?« Szomor erhob sich. »Das ist unterschiedlich.« Wieder warf er ihm
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