Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
gefahren war. Er hatte ihn um eine Ellenlänge verfehlt.
    Fast. Fast hätte ich mich selbst erlöst.
    Er hob das Gesicht und ließ die Tropfen daraufprasseln.
    Selbst der Tod will mich nicht. Aber eines Tages muss er nach mir greifen!
    Er stand auf. Bis es so weit war, würde er die Räuber suchen und sie umbringen, damit nicht noch mehr Menschen leiden mussten. Sowohl unter ihren weltlichen Verbrechen als auch unter ihrem Treiben als Untote.
    Sobald ich sie bestraft habe, komme ich dem Schwur nach, den ich Szomor geleistet habe. Ich werde Vampire jagen und vernichten, um die Menschen vor Leid zu bewahren, wie ich es erleiden musste und es anderen gebracht habe.
    Er eilte fort aus Kerhinet, auf die Straße nach Guérande.
    Auf dem Weg leistete er einen zusätzlichen Schwur.
    Es mochten Dämonen hinter seinem neuen Dasein stecken,aber er würde ihnen eins auswischen, indem er die erlangten Kräfte gegen Vampire, Werwölfe und alle anderen Bestien richtete, die nach dem Blut der Menschen trachteten. In dem Hexer und Alchimisten Szomor hatte er einen guten Lehrer gefunden, der ihm über die Kreaturen der Nacht berichten konnte.
    Das schwöre ich bei meiner Gwenn!
    Früher hätte er sich mit einem Mann wie Szomor niemals abgegeben.
Nimmt man es genau, müsste ich auch ihn töten,
dachte Tanguy.
Er nimmt sich Unschuldige gegen ihren Willen. Und bringt sie um.
    Ein weiterer Entschluss stand fest: Sobald der Hexer ihn aus seiner Schuld entließ, würde er ihn ermorden. Wenn er sein alchimistisch verändertes Blut trank, erlangte er vielleicht noch weitere Gaben.
    Das warf den nächsten Gedanken auf.
    Ich werde mich nur noch vom Blut derer ernähren, die den Tod verdient haben. Halunken gibt es genug. Zu finden sind sie auch ganz leicht.
    Plötzlich ergab das Dasein als Vampir für ihn einen Sinn. Eine Reihe von Entscheidungen war gefällt worden, die seiner Existenz als Vampir einen Sinn verliehen.
    Nach einer halben Stunde seines rasend schnellen Laufs erschienen die Umrisse der Stadt Guérande vor ihm. Früher hatte diese Strecke einen Tag in Anspruch genommen.
    Er bog auf den kleinen Pfad ab, der in den verhängnisvollen Eichenhain führte.
    Hier beginne ich.
    Seine Suche nach den Räubern würde schwierig werden, aber nicht unmöglich. Langsam betrat er den Wald.
    Ich finde euch. Einem nach dem anderen schlitze ich die Kehle auf. Mit Malo fange ich an.
    Er sah den Knebelbart und das Flaumkinn vor seinem inneren Auge.
    Auch ihr werdet keine Gnade erwarten können, was immer ihr mir erzählt. Ihr verschont nicht, ich verschone nicht.
    Dann fiel ihm der Spruch ein, den der Knebelbart von sich gegeben hatte: Ein Leben für ein Leben.
    Aber eines von euch ist mir nicht genug.
     
    ***
     

KAPITEL IV
     
Frühling 1782, Frankreich,
Süd-Bretagne, irgendwo in der Brière (Pays noir)
    »Wieso gibt es in Frankreich keine Vampire?« Tanguy blätterte seine Notizen durch. Es war ihm aufgefallen, dass sein Mentor die Frage nach der Verbreitung bislang vermieden hatte.
    Szomor hantierte im Kunstwald aus Röhrchen, Kolben und Tiegeln. Er schüttelte und klopfte gegen die Gefäße, als wolle er Früchte auf ihre Reife hin untersuchen. »Das habe ich nicht behauptet. Du bist eine Ausnahme,
das
habe ich gesagt. Judaskinder findet man nicht so weit im Westen. Das waren meine Worte. Oder so ähnlich.«
    Tanguy sah zum Fenster hinaus, wo sich das Abendrot am Himmel hielt. Die Sonne war schon vor längerer Zeit versunken, das wenige Restlicht tat ihm nichts. Inzwischen konnte er die Kraft des Taggestirns und das, was es bei ihm anrichtete, gut einschätzen. Szomor hatte ihn vor sechs Wochen zum ersten Experiment ermutigt, in ihre Strahlen zu treten. Anfangs hatte Tanguy es nur kurz ausgehalten. Die Schmerzen waren zu groß und Verbrennungen auf der Haut sichtbar geworden. Inzwischen brachte er es auf eine halbe Stunde im vollen Sonnenlicht. »Es gibt viele Legenden über Werwölfe. Gerade vor ein paar Jahren tobte eine Kreatur im Gévaudan, von der einige behaupten, es sei ein Werwolf gewesen und kein tollwütiger Graupelz. Aber warum hört man so wenig über Vampire?«
    Szomor hob den Finger. »
Du
hörst wenig darüber, weil es indeinem kleinen Kerhinet keinen gab, der Zeitschriften und Journale wie den
Mercure de France
las. Erinnere dich: Ich musste dir erst Schreiben und Lesen beibringen. Aber ich wette, dass in Guérande mancher gut Betuchte etwas von ihnen vernommen hat.« Er kam zu Tanguy an den Tisch und setzte sich ihm

Weitere Kostenlose Bücher