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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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erhob sich und trat zur Tür.
    »Gehst du wieder die Räuber suchen?«
    »Ja.«
    »Ich sagte dir schon einmal, dass sie aus dem Guérande verschwunden sind. Man erzählt auf dem Markt, dass sie mit einem Boot nach Süden gefahren sind. In Bordeaux werden gerade brutale Überfälle auf Reisende begangen, die nach der Handschrift der Bande aussehen.«
    »Mag sein. Doch ich
muss
etwas tun. Untätigkeit kann ich mir nicht verzeihen.« Tanguy verließ das Haus.
    Die Untätigkeit war eine Sache, der verfluchte Durst eine andere. Starker Durst, der ihn ungeduldig und zornig machte. Blut musste her. Am besten Menschenblut.
    Ich hasse diesen Zwang!
    Er eilte vom Haus weg, das von einem schützenden Ring ausMoor und hohem Schilf umgeben war, und wanderte zügig durch die Abenddämmerung.
    Die Natur um ihn herum erwachte aus der Winterstarre. Vögel sangen ihre Lieder und jagten mit den wenigen Wolken um die Wette. Der betörende Duft von blühenden Seerosen lag in der Luft, gegen den die üblen Gerüche des Sumpfes nicht ankamen.
    Tanguy hielt nach Barken Ausschau.
    Bislang hatte er sich an den Schwur gehalten, nur Halunken und Abschaum zu töten. Am einfachsten war es gewesen, als er sich noch die Gefangenen in den Kerkern schnappen konnte. Mit seiner Schnelligkeit und Lautlosigkeit bedeutete es ein Kinderspiel, in das Gewölbe zu gelangen Doch allmählich musste er sich etwas Neues einfallen lassen. Es wurde schon über die Toten in den Zellen geredet. Die Wärter sollten nicht seinetwegen der Selbstjustiz verdächtigt werden.
    Vielleicht muss der Riese doch wieder zuschlagen. Sonst haben die Brièrones keinen Respekt mehr vor ihm
, rechtfertigte er seine finsteren Gedanken vor sich selbst, um dem Bruch seines Gelübdes einen scheinbaren Sinn zu geben. Er wusste jedoch nur zu gut, dass er sich selbst betrog, und schämte sich.
    Ich kann nicht anders.
    Er wandte sich nach Osten und trabte los.
    Sein Weg führte ihn an den Menhiren vorbei, an denen Blumen sowie kleine Gaben niedergelegt worden waren. Die alten Religionen und heidnischen Rituale wurden von manchem Bewohner des Pays noir noch immer ausgeübt, Christentum hin oder her.
    Tanguy trat durch die Halme an das Ufer eines Kanals. Plötzlich tauchten in nicht allzu weiter Entfernung mehrere Barken auf.
    Eine Jagdgesellschaft!
    Besser konnte es nicht für ihn kommen. Edelleute … einer verkommener, arroganter und nutzloser als der andere, wie erfand. Und nicht nur er. Schon des Öfteren war die Rede von Unruhen in Paris gewesen, vor allem in den Vierteln, in denen die Armen lebten. Den König und seinen Hofstaat interessierte die Not des Volks jedoch nicht.
    So ist es auch bei uns. Adlige sind ebenso Schurken, auf ihre Weise. Ich tue Gutes mit ihrem Tod.
    Das war seine selbst erteilte Absolution. Tanguy betrachtete erleichtert die fünf Kähne, die zum Schutz vor Sonne und Regen mit Baldachinen versehen worden waren. Er schätzte die Anzahl der Personen auf vierzig.
    Einer mehr oder weniger wird nicht auffallen.
    Er grollte voller Vorfreude auf das Blut, das er bald im Mund spüren würde, und machte einen Schritt zurück in den Schutz des wogenden Schilfs.
    Sein Plan entstand in Windeseile. Er würde tauchen, den hintersten Kahn an einer schmalen Stelle zum Kentern bringen und einen von ihnen unter Wasser ins Dickicht ziehen.
    Einen von den Adligen. Oder auch zwei. Keinen Diener.
    An einer abseits gelegenen Stelle des Kanals stieg er in die dunkle Brühe und glitt unter die Oberfläche. Mit schnellen Zügen hielt er auf die Barken zu, die über ihm als schwarze Umrisse zu erkennen waren. Es war, als schwebten sie auf Gelee. Die Pigouilles stachen immer wieder gegen den Grund und stießen die Gefährte vorwärts.
    Tanguy rückte dicht an das hintere Boot und schnappte den Stab, hielt ihn fest. Er sah, wie der Mann sich an das Holz klammerte und daran riss. Undeutlich vernahm er dessen Flüche.
    Kommt zu mir, edle Leute.
    Tanguy entwand ihm den Stab und tauchte bis auf den Grund. Mit ganzer Kraft drückte er sich vom Boden ab und rammte das Heck.
    Die Planken barsten unter dem Einschlag. Platschend und von Blasen umgeben, fielen die überraschten Passagiere ins Wasser,gingen unter. Hektisch ruderten sie mit den Armen, um nach oben zu gelangen. Die schweren, teuren Stoffe sogen sich rasch voll und bildeten zusätzliches Gewicht. Sie erinnerten Tanguy an behäbige Tanzbären.
    Ihr sollt es sein!
    Er packte die zwei Männer, deren Kleidung am kostspieligsten aussah, und

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