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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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gelandet.
    Dann rannte er los. Seine Schulter brannte noch immer. In dieser Nacht hatte er gelernt, dass es einen weiteren Grad von körperlichem Schmerz gab, der durchdringender war als alles bis her Gekannte.
     
    Mit der Morgenröte erreichte Tanguy das Haus.
    Er hatte sich unterwegs überlegt, ob er die Gefahr einer Rückkehr zu so früher Stunde eingehen oder lieber in einem Bisamrattenbau die Nacht abwarten sollte. Aber da er nirgends Anzeichen einer Suchmannschaft bemerkt hatte, ließ er es darauf ankommen.
    Das große Haus lag vor ihm. Es sah nicht so aus, als ob sich Fremde Zugang verschafft hätten.
    Ohne zu zögern, trat er durch die Tür.
    »Da bist du ja endlich!«, vernahm er Szomors vertraute Stimme, in der Erleichterung und auch Vorwurf mitschwangen. Sein Kopf tauchte hinter den Apparaturen auf. »Wo warst du?«
    Er lebt?
    Tanguy fühlte neben der Überraschung unsagbare Enttäuschung. Damit war er aus der Schuld noch nicht entlassen. Nein, sie war sogar um das Doppelte gestiegen: Der Hexer hatte ihm zum zweiten Mal das Leben bewahrt. Zugeben würde er es nicht. »Ich habe mich verflogen.«
    Ich hätte es mir denken können. Er wird irgendwelche Zauberei angewandt haben, um sich zu retten.
    »Bitte?« Szomor verließ sein Forscherdickicht.
    »Ich wurde durchscheinend, leicht und flog davon. Mit dem Wind.«
    Szomor sah, dass Tanguy ohne Kleider vor ihm stand. »Eswird auf Dauer teuer, dich jedes Mal neu einzukleiden«, kommentierte er trocken und deutete durch den Eingang zum Horizont. »Gut, dass du eine neue Facette deines Könnens gefunden hast, aber du musst jetzt in die Kammer. Die Sonne wird dich nicht schonen, auch wenn du dich ihr nackt und verwundbar zeigst.«
    Tanguy nickte. »Wie hast du die Kugel …«
    »Ich bin ein Hexer«, fiel er ihm lachend ins Wort. »Es braucht mehr als einen Jungen mit einer Pistole, um mich umzubringen.«
    »Was brauchte man
denn?
«, rutschte es Tanguy heraus.
    Szomors Blick verlor jegliche Heiterkeit. »Ich unterstelle dir, dass du ein wenig flachsen wolltest«, sagte er eisig. »Vor dir steht dein zweimaliger Lebensbewahrer und Mentor!« Er legte den Zeigefinger gegen Tanguys Stirn. »Und ein sehr, sehr mächtiger Zauberkundiger.«
    »Sicherlich. Ein Spaß«, antwortete Tanguy mit einem müden Lächeln und ärgerte sich, dass er sich selbst verraten hatte. Wenigstens wusste er jetzt, dass der Mann mit einer Kugel nicht zu töten war.
»
Ich danke dir, dass du mich gerettet hast.«
    »Wieder«, fügte Szomor betont hinzu. »
Wieder
gerettet.«
    Tanguy ging an dem Hexer vorbei zu dem Verschlag. »Ach, sag mir: Woher kamst du so schnell, und wieso hattest du dieses … silberne Schwert dabei?«
    »Vielleicht kann ich hellsehen, Mocsár? Was, denkst du, habe ich noch herausgefunden? Über dich und deine Gedanken?«
    Ihre Blicke trafen sich.
    Tanguy senkte als Erster die Augen und deutete eine Verbeugung an. »Verzeih mir meinen misslungenen Scherz. Ich könnte dir niemals etwas zuleide tun. Auch wenn ich ein Vampir bin.«
    »Du bist ein Kind des Judas, ein Judassohn«, fügte Szomor schneidend hinzu. »Kein gewöhnlicher Vampir.« Er folgte ihm, um das Kabuff zu schließen. »Was ist das für eine Wunde aufdem Rücken?«, fragte er staunend. »Sie hat Narben hinterlassen! Eigentlich sollte …«
    »Das Meer hat mich berührt.« Mehr Erklärung gab er nicht. »Hast du den petit Seigneur getötet?« Er trat in seine bescheidene Schlafstätte und wandte sich Szomor zu.
    Bitte nicht. Ich will meine eigene Rache.
    »Er war verschwunden, als ich mich dazu entschloss, meine Rolle als Toter aufzugeben und mich wieder zu erheben.« Szomor langte in die Tasche und holte eine graue Metallkugel heraus. »Das war sie. Ein Spruch hat sie verlangsamt und unschädlich gemacht. Ich werde etwas Schönes mit ihr machen.« Er warf sie hoch …
    … und Tanguy fing sie vor seiner Nase auf. »Lass mir den Jungen«, verlangte er mit fester Stimme. »Er und ich, wir haben uns gegenseitig den Tod versprochen. Ich möchte der Schnellere sein.«
    Szomor sah ihn lange an, bevor er die Hand ausgestreckt hinhielt. »Ich will deinem Glück nicht im Wege stehen, wenn du den kleinen Spross des Loup-Garou zur Strecke bringst. Der Comte de Morangiès, ein Loup-Garou. Vermutlich hat er auch etwas mit der Legende von der Bestie aus dem Gévaudan zu tun.« Sein Blick wurde stechend. »Erinnere dich stets daran, Mocsár, dass du mir zweifach das Leben schuldest.«
    Langsam legte Tanguy die Bleikugel in

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