Judastöchter
Nähe des Meers zu müssen, doch
damit
hatte sie nicht gerechnet. Außerdem hatte es sie wieder Unsummen von Zeit gekostet, Flüssen und Bächen auszuweichen.
Nein, Irland ist kein gutes Land für Judastöchter.
Sia ließ den Blick schweifen. Sie konnte es nicht glauben, dass die Schiffe der Sídhe-Vorfahren
hier
gelandet sein sollten! Mitten in Irland. Flugschiffe gab es ihres Wissens nach erst viel später, und sie war dabei gewesen, als die ersten Zeppeline geflogen waren.
Slieve Anierin hieß die Erhebung, die die Iren stolz
Berg
nannten. Wer einmal die Alpen gesehen hatte, wusste, was echte Bergmassive waren, aber von Höhe null aus betrachtet machten auch fast sechshundert Meter bereits Eindruck.
Die ganze Umgebung machte damit Werbung, dass die Duanna hier gelandet waren. Sia war durch Dörfer mit zahlreichen Souvenireinkaufsmöglichkeiten gefahren, und es gab weiter unten am Berg ein Besuchercenter.
Sie genoss das wundervolle Panorama, aber auf dem an sich leeren Sliabh-an-Iarainn zu stehen brachte ihr bei der Suche von
Elena und Emma nichts.
Überhaupt nichts.
Wanderer marschierten durch das schwächer werdende Licht in ihrer Nähe vorbei, unterschiedliche Sprachen erklangen, von Deutsch bis Spanisch. Die Grüne Insel zog die Touristen an, auch wenn Sia es ungewöhnlich fand, sie in dieser eher unfreundlichen Jahreszeit anzutreffen.
Individualisten, wie schön.
In ihr wuchs das Genervtsein mit jedem dünnen Regentropfen, der auf ihr Gesicht traf und die Erinnerung an das Brennen des Salzwassers weckte.
Ich habe mich zu sehr darauf verlassen, herzukommen und Greifbares vorzufinden.
Sie hatte den Fehler begangen, ihre Hoffnungen auf Sliabh-an-Iarainn zu setzen. Auf eine Bergspitze. Ihre treffende Analyse machte es nicht besser: umgeben von einer wundervollen, nutzlosen Landschaft mit einem See in weiter Entfernung und umzingelt von Flüssen, in denen ihr Tod schwamm.
Sie sah auf ihr Handy und wünschte sich, einen Anruf von Eric zu bekommen, der ihr sagte, dass er wenigstens etwas herausgefunden hatte. Er tat ihr den Gefallen nicht.
Denk nach, und denk wie eine Vampirin.
Sia wollte nicht unverrichteter Dinge abziehen und sich schon gar nicht später vorwerfen lassen, nicht alles unternommen zu haben, um Emma und Elena zu finden.
Die Legende besagte, dass die Vampire hier angekommen waren.
Wo würde ich als Erstes hingehen … nach einer langen, kräftezehrenden Reise …
Ihre grauen Augen richteten sich auf das Dorf in der Nähe.
Ich hätte Hunger und würde mir etwas nehmen, um wieder Stärke zu erlangen, bevor ich Anstrengungen unternehme, ein Land zu unterwerfen.
Sia ging los.
Sie nahm nicht an, dass das Dorf, auf das sie zuhielt, damals schon existiert hatte, doch vielleicht …
Wenn man nicht nachschaut, weiß man es nicht.
Sie stapfte durch die wunderschöne Landschaft, als müsste sie mit ihren Füßen beim Gehen widerliche Insekten zerstampfen. Es wurde merklich dunkler, Nebel stieg im Tal auf.
Mir läuft die Zeit davon!
Ihr fielen die zahlreichen Kaninchen auf, die auf dem Berg herumhüpften und genauso schnell in Erdlöchern verschwanden, wie sie auftauchten.
Sia kam ein ungewöhnlicher Einfall.
Wie war das noch bei Alice im Wunderland?
Sie verlangsamte ihre Schritte.
Zugänge zum Innern der Feenhügel!
Rasch ging sie dahin, wo sie eines der Tiere verschwinden gesehen hatte, schaute sich um und nahm die Windgestalt an; die Kleidung fiel samt ihrer Ausrüstung von ihrem durchscheinenden Körper ab und blieb vor dem Eingang liegen.
Was werde ich entdecken?
Es ging durch den flaschendicken Gang in die Dunkelheit, tiefer und tiefer, in ein Gewirr aus Gängen, aus dem sie niemals mehr herausfinden würde. Bei ihrer Rückkehr würde sie einfach nach oben steigen und irgendwo ins Freie treten. Den Weg konnte sie sich nicht merken.
Doch dann änderte sich die Umgebung: Aus der schmalen Röhre wurde ein Raum, der mit Stützen versehen worden war. Durch mehrere kleine Löcher fielen fingerdicke Strahlen herein und sorgten für schwaches Licht. Es genügte für Vampiraugen.
Anscheinend waren schon Menschen oder ähnliche Kreaturen vor mir hier.
Sia nahm ihren festen Körper an. Nackt schaute sie sich um.
Es war ein Vorraum, wie sich bald zeigte. Die Wände waren mit keltischen Symbolen bemalt worden, das Holz der Stützbalken erschien an manchen Stellen verfault, andere sahen sehr morsch aus.
Die besten Zeiten der Konstruktion sind vorbei.
Misstrauisch blickte sie zur Decke, die sich
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