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Judastöchter

Titel: Judastöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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habe gehört, dass viele an dir gescheitert sind.« Sia ließ es zu, dass man sie umzingelte. Niemand könnte sie einfangen, die Windgestalt machte sie unaufhaltbar. »Ich bin die Erste, der es gelingen muss.«
    Er neigte den Oberkörper nach vorne. »Ich mache dir noch einmal das Angebot, dich mit mir zu verbünden, unbekannte rothaarige Schönheit. Es wäre die bessere Lösung für dich.«
    Sia überlegte wirklich. Sie hatte keine Vorstellung, gegen wen beziehungsweise was sie für die Sídhe in den Kampf gezogen war. Das Gefühl, verraten und bereitwillig geopfert worden zu sein, breitete sich in ihr aus. »Es ist zu gefährlich. Wegen meiner Familie«, sagte sie langsam.
    »Dann wisse«, antwortete der Ard Rí, »dass ich dich dieses Mal lebendig ziehen lassen werde, weil ich sehen möchte, was du dir einfallen lässt. Aber nach unserem
nächsten
Zusammentreffen bist du tot. Du und natürlich dein Freund. Ihr seid eine spannende Mischung. Zum Glück für euch.« Er nahm sich eine Decke und legte sie um die Hüften. »Und weil du mir imponierst, weil du das Unmögliche versuchst, gewähre ich dir
einen
weiteren Anruf vor unserem neuerlichen Wiedersehen. Du darfst mir jederzeit die Drahtzieher nennen und dich auf meine Seite begeben, damit wir zusammen gegen sie vorgehen.« Er nannte ihr eine Handynummer.
    »Du hast meine Bewunderung. Echte Aufopferungsbereitschaft ist heutzutage selten.« Der Ard Rí sah auf die erschossenen Wandler. »Die Toten sind unnötig gewesen. Hier stehen einige ihrer Verwandten um dich herum, und ich nehme an, dass sie dir gerne Gewalt antun würden.« Er wandte sich ab. »Sobald ich den Raum verlassen habe, dürfen sie dich angreifen. Du solltest dann verschwunden sein.« Der Hochkönig ging zur Tür, und die Decke um seinen Körper verlieh ihm das Aussehen eines altertümlichen Herrschers.
    Oder eines Gottes.
Das Grollen der Halbbestien um Sia herum wurde lauter, der Kreis zog sich enger.
    Ihr werdet euch gleich wundern.
Als der Ard Rí nur noch zwei Schritte vom Durchgang entfernt war, packte sie einen der Wandler und versetzte ihm einen Stoß.
    Der Hundewandler prallte gegen seine Artgenossen, und die Welle setzte sich fort, wie sie es geplant hatte.
    Klick,
machte es leise vom Boden. Einer der Feinde war auf den umherliegenden Fernauslöser getreten.
    Das war es für viele von euch!
Sia nahm ihre schützende Windgestalt an.
    Die Bestien drängten grollend und knurrend auf sie zu, als könnten sie der Vampirin noch etwas antun – und die Plastiksprengstoffpäckchen an der Decke der fünften Etage zündeten gleichzeitig.
    Die enorme Druckwelle ließ Sia ruckartig aus dem Gebäude fliegen.
    Die letzten intakten Glasfenster wurden aus den Rahmen gefetzt, und die Gegner verschwanden in einer Staubwolke, die Detonation übertönte das animalische Gekreische; der Geschmack von Blut lag in der dreckgeschwängerten Luft.
    Wo ist Eric?
Sia blickte unter sich und sah ihn vom eingedrückten Dach eines Wagens rutschen.
Gut! Er lebt noch!
Sie ließ sich nach unten sinken, während es um sie herum Glassplitter und kleinere Trümmerstücke regnete, und stellte sich vor ihn.
    »Geht es?«, fragte sie.
    Er sah sie, antwortete etwas Unverständliches und folgte ihr unsicher, torkelte und humpelte zum Wagen. Freiwillig stieg er auf der Beifahrerseite ein. »Du fährst«, ächzte er und lehnte den blutverschmierten Kopf zurück; eine Schnittwunde lief ihm über die Stirn. »Fünf Stockwerke. Das geht schneller, als man denkt.«
    Sia materialisierte sich und nahm hinter dem Steuer Platz. I
ch bin schon wieder nackt. So langsam reicht es mir.
Dass Eric seine Kleidung nur noch als verbrannte, zerrupfte Überreste an sich trug, konnte sie als Trost nicht annehmen.
    Sie fuhren langsam los, vorbei am eingedrückten Autodach. Aus dem Seitenfenster ragte ein blutiger Arm. Die Insassen, die Erics Sturz gedämpft hatten, waren sicherlich schwer verletzt, wenn nicht sogar tot. »Kannst du mir erklären«, sagte sie dumpf, »in
was
du dich da oben verwandelt hast?«
    »Später«, bat er erschöpft. »Such uns einen netten Unterschlupf, und ich versuche, es dir zu erklären.« Seine Lider senkten sich, die Atemzüge wurden langsamer.
    »Du wirst … du wirst jetzt nicht einschlafen!«, rief sie und stieß ihn an, aber er rührte sich nicht. »Großartig. Echt wundervoll!« Sia fluchte und lenkte den Touareg aus der Stadt.
Er hat mir einiges zu erklären.
    * * *

8. Februar, Großbritannien, Nordirland,
Ballymena,

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