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Judastöchter

Titel: Judastöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Achtzigern hatte sich gehalten, die Uhr über der Tür stammte aus den Neunzigern. Das Neueste in der Küche war der Abreißkalender neben der Tür, der sogar das aktuelle Datum anzeigte.
    Schritte näherten sich, und gleich darauf kam Sínead herein. Auch sie hatte einen karierten Morgenmantel an und trug einen Korb mit Wäsche, deren frischer Duft sich mit dem Brötchengeruch mischte. Mitch fühlte sich in seine Kindheit zurückversetzt. »Ah, da ist er ja, der Teeräuber.«
    »Hallo, Rose von Omagh.« Er grinste und hob die Tasse. »Starkes Zeug.«
    »Ja? Ist mir wieder ein Löffel zu viel reingefallen?« Sie stellte den Korb auf den Stuhl und setzte sich neben ihn, der Blick aus ihren blauen Augen streifte die Taschen. »Verreist du?«
    Mitch atmete tief ein. »Du weißt, was drin ist. Dein Mann möchte aussteigen und hat mir die Kasse überlassen.« Aus einem Impuls heraus nahm er ihre Hand. »Sínead, was ist mit ihm? Er war einer der Besten, und jetzt möchte er zwei Jahre Pause machen? Das glaube ich ihm nicht.«
    Sínead biss die Zähne zusammen, in ihren Augen erkannte er Unsicherheit und … Angst?
    »Werdet ihr erpresst?«, begann er zu raten, doch sie schüttelte den Kopf, so dass ihr langer, schwarzer Zopf tanzte. »Oder will er zu den Bobbys überlaufen und in ein Aussteigerprogramm rein?« Wieder verneinte sie. »Sind es persönliche Probleme … irgendein Verwandter oder …«
    »Nein. Ich weiß es nicht«, stieß sie verzweifelt aus. »Er hat mir nur gesagt, dass er ein paar Dinge regeln müsse, die Vorrang vor der IRA haben. Seine Wurzeln würden ihn dazu verpflichten.« Sie legte eine Hand gegen die Stirn, als müsste sie Fieber messen. »Mehr wollte er mir nicht sagen.«
    Sínead schenkte sich Tee ein. Schweigend saßen sie in der Küche und tranken.
    Irgendwann erklangen schnelle Schritte im Treppenhaus, dann fiel die Haustür ins Schloss. Mike war gegangen.
    Mitch erhob sich und gab Sínead einen langen Kuss auf die Stirn. »Ich werde dafür sorgen, dass sie dir nichts tun«, sagte er leise, und sie versteifte sich vor Furcht. Er nahm die Taschen und ging hinaus.
    »Bis bald, Sínead.«
    Auf dem Treppenabsatz vor dem Eingang zur kleinen Kammer fiel ihm ein, dass er seinen Schlüsselbund darin liegen gelassen hatte. Er stellte die Taschen ab, betätigte den Öffnungsmechanismus, drückte die Tür auf und ging rein. Ein kurzer Druck auf den Lichtschalter:
Bzzzbbb, pling, pling
 – summend flammte die Neonröhre auf.
    Mitch fiel sofort auf, dass die Silbermunition verschwunden war. Ein Blick über die Waffenhalterung zeigte ihm, dass Mike ein Kalaschnikow-Gewehr und eine automatische Schrotflinte mitgenommen hatte, auch zwei
Glock
-Pistolen fehlten.
    »Beginnt Mikes persönlicher Kriegszug heute schon?«, murmelte er und ging in die Ecke, wo er auf seinen Freund gewartet hatte. Auf der Sitzfläche des Stuhls lag der Schlüsselbund, den er nahm und einsteckte.
    Aus Neugier sah er sich nach Anhaltspunkten um, fand aber nichts. Auch der kleine Notizblock war leer. Mike hatte die Quittung
     mitgenommen.
    Mitch langte nach dem Bleistift und schraffierte ganz behutsam das oberste Blatt, um eventuell durchgedrückte Wörter sichtbar zu machen.
    Und es gelang!
    Fein und andeutungsweise hob sich der Name
Finn McFinley
auf dem Papier ab, daneben stand

zu lesen.
    Ist er jetzt total bescheuert?
    Rí bedeutete König oder Clanoberhaupt, und der Begriff stammte aus der Zeit, als es noch Stammesgesellschaften in Irland gegeben hatte. Heute begegnete man dem Ausdruck nur in Märchen und Sagen.
    Mitch fuhr den Namen mit dem Bleistift nach, riss das Blatt heraus und steckte es ein. Wenn Mike mit dem Mann Schwierigkeiten haben sollte, ließ sich eine Lösung für das Problem finden. Ein Waffenbruder hatte Unterstützung verdient, und danach stand er doppelt in der Schuld der IRA .
    Es knirschte hölzern, dann klickte es.
    Mitch drehte den Kopf und sah zum Eingang, weil er dachte, dass Mike oder Sínead zu ihm gekommen wären.
    »Hallo«, sagte eine unbekannte Frau, die ihre behandschuhten Finger der Linken noch am Rahmen liegen hatte. Sie trug einen langen schwarzen Stoffmantel und eine schwarze Pelzmütze. Sie hätte mit ihrer gepflegten Aufmachung nach Sankt Moritz gepasst. Eine Millionärsgattin auf Abwegen in Irland.
    Mitch verbarg seine Verwunderung nicht. »Wer sind Sie?« Er griff unter die Jacke und zog seine 38er Smith&Wesson hervor, ohne die Waffe auf die Frau zu richten. Durch Zufall fand man die

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