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Judastöchter

Titel: Judastöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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zwei Jahren habt ihr mich wieder, falls wir dann immer noch zu England gehören sollten. Aber wer braucht uns denn noch? Die Politiker werden es regeln, nicht unsere Bomben und Attentate. Wir sind dann eine Handvoll Verbrecher, wie die Mafia, und verdienen unser Geld mit Drogen.« O’Malley lehnte sich gegen den Tisch. »Siehst du das anders?«
    Das Licht flackerte kurz, das Radio verstummte für zwei Sekunden, bevor es in alter Lautstärke erklang.
    »Wir müssen wachsam bleiben.« Mitch, ein kleiner, bulliger Straßenschläger mit raspelkurzen Haaren, klang abgestumpft, als habe er den Satz zehnmal zu oft gesagt. Die Hände steckten in den Jeanstaschen, und wie immer trug er die abgewetzte Fleecejacke, auf der man den Werbeaufdruck nicht mehr lesen konnte.
    O’Malley zeigte auf den Tresor. »Wenn es ums Geld geht, das kannst du mitnehmen. Ich hätte es dir morgen vorbeigebracht, aber wenn du schon mal da bist … Du kennst die Nummer.«
    Mitch warf einen irritierten Blick auf die Geschosse. »Ist das Silber?«
    »Ja.«
    »Wirkt das besonders gegen die Engländer, oder warum machst du dir die Mühe?«
    O’Malley grinste und zeigte seine langen Zähne, auf denen exzessiver Teegenuss Verfärbungen hinterlassen hatte. Er wischte sich die Hände an seinem schwarzen Shirt, dann an der gleichfarbigen Hose ab, die er unter dem Morgenmantel trug. »Ich habe einen Typen getroffen, der mich um die Munition gebeten hat. Keine Ahnung, was er damit will. Es bessert meine Kasse auf.«
    »Aha.« Mitch nahm die Hülsen auf, in welche die Projektile eingefasst werden sollten. »7,62 Millimeter. Eins von den alten Schnellfeuergewehr- und Pistolenkalibern. Ist ja nicht eben Standard für einen Sammler. Die wollen normalerweise eher Kugeln für Schwarzpulverwaffen. Und neun Millimeter hast du auch im Angebot.«
    »Wie gesagt, mir ist es egal, was er damit macht.« O’Malley ging zum Tresor und öffnete ihn, packte die beiden Plastiktaschen an den Henkeln und zerrte sie heraus. »Vergiss sie nicht. Und gib mir eine Quittung, dass du den Schotter mitgenommen hast.«
    Mitch musste lachen. »Du bist echt …« Er vollendete den Satz nicht und rührte die Taschen nicht an. »Mike, bitte! Überleg dir das! Die anderen werden mir nicht glauben, wenn ich ihnen sage, dass du nur eine Pause machst. Sie werden dich nicht aussteigen lassen!«
    »Was wollen sie tun? Mich umbringen? Mir eine Bombe ins Auto packen wie damals bei Ronny?« Er blieb erstaunlich ruhig, obwohl ihm durchaus Gefahr für sein Leben von seinen Mitstreitern drohte. »Ich habe in nächster Zeit andere Ziele, das müsst ihr verstehen.«
    »
Keiner
wird es verstehen. Ich auch nicht.« Der bullige IRA ler packte ihn bei den Schultern, was wegen des Größenunterschieds unbeholfen wirkte. »Ich werde sie nicht aufhalten können.«
    O’Malley zwinkerte. »Schon gut, Mitch. Wird schon schiefgehen.« Er wandte sich um, nahm ein Schmierblatt vom Tisch, auf dem mit Bleistift Notizen gemacht waren, und reichte ihm einen Kugelschreiber. »Die Quittung, Kumpel.«
    Mitch quittierte ihm den Empfang. »Sie sollen dich nicht wegballern, weil sie denken, du hättest der IRA Geld gestohlen.« Er deutete auf das Waffenarsenal. »Das lasse ich auch abholen.«
    »Klar. Was mir gehört, nehme ich vorher raus. Von mir aus könnt ihr mein Haus weiter als Versteck benutzen.« O’Malley setzte sich an die Werkbank und begann, Geschosse und Hülsen mit einer Presse zu verbinden.
    »Ist Sínead da?«
    »Sicher. Sie ist oben und macht Tee. Geh ruhig hoch und sag ihr guten Tag.«
    Mitch schulterte die Taschen und verließ das Kabuff, stapfte die Treppe hoch und betrat die Küche, aus der leckerer Geruch nach frischen Brötchen drang. Eine verbeulte Blechkanne mit Tee dampfte auf dem Tisch, zwei Tassen standen parat. »Sínead, ich bin’s«, rief er und stellte die Taschen mit dem Geld ab. »Kann ich mir einen Tee nehmen?«
    »Mach nur, Mitch«, hörte er ihre Stimme aus einem entfernteren Teil des Hauses. »Bin gleich bei dir.«
    Er setzte sich, goss sich ein, gab Milch und Zucker in das fast schwarze Gebräu, das irgendein Blend aus Assam, Ceylon und anderen kräftigen Teesorten war. Vermutlich hatte Sínead es wieder zu lange ziehen lassen; der erste Schluck bestätigte seine Vermutung. Mitch setzte sich und sah sich in der kleinen Küche um, in der sich nichts verändert hatte, seit er zum ersten Mal hier gewesen war. Ein Großteil stammte aus den siebziger Jahren, ein bisschen von den

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