Judastöchter

leisen Geräusch zog sich der Absatz aus dem Fleisch.
    Mitch stöhnte auf und hustete, hielt sich die Stelle mit der unverletzten Hand. Warmes Blut benetzte die Haut. Er war so schlau, nicht zu fragen, was vor sich ging. Sie würde es ihm nicht verraten, also würde er Mike anrufen, sobald die Schlampe verschwunden war.
    Ihm wurde schlecht, der Raum drehte sich leicht. Die Verletzungen setzten ihm zu, sein Körper reagierte mit Schock; er kannte es noch von den beiden erlittenen Schussverletzungen.
    Sie ging vor ihm in die Hocke, klickend legte sich die Handschelle um seinen Fußknöchel, die andere Seite verband sie mit dem Regal. »Es gibt so viele Möglichkeiten, für die Freiheit eines Landes oder eines Volkes zu kämpfen«, sagte sie und erhob sich, schlenderte zum Ausgang. »Ich denke, dass es am besten wäre, man überließe es
nicht
den Soldaten.« Sie suchte einen Zeitzünder aus einem Karton und steckte ihn in ein Päckchen Plastiksprengstoff. »Wissen Sie auch, warum?«
    »Hey!« Mitch zog seine zweite Waffe, einen kleinen Vier-schuss-Derringer, den er im Hosenbeinholster getragen hatte. »Mach mich los!«
    »Soldaten können nicht mehr aufhören zu töten. Sie haben sich so sehr daran gewöhnt, dass Frieden für sie die Hölle ist.« Sie drückte auf der Vorrichtung herum.
    »Nein!« Mitch schoss mehrmals auf sie, traf sie in den Oberkörper, den Hals und sogar mitten ins Ohr. Ihr Blut spritzte aus den Löchern und sprenkelte die Wand.
    Aber die Frau … blieb stehen, auch wenn sie wütend aufschrie und zischte.
    »Shit!« Mitch schoss noch einmal, und das Magazin war leer. Mit Entsetzen und völligem Unverständnis musste er mit ansehen, wie sich die Wunden der Unbekannten
schlossen!
Knochen verbanden sich, Blutungen stoppten auf der Stelle, Löcher in der Haut wuchsen zusammen.
    Sie bewegte probehalber den Kiefer, das Gelenk knackte und sprang zurück in seine ursprüngliche Position. »Wie ärgerlich. Die Sachen waren teuer. Ich werde in Síneads Schrank nach etwas Passendem für mich suchen. Sie braucht es nicht mehr.« Ihre Finger tippten weiter, die Digitalanzeige leuchtete auf. »Und gleich gibt es einen Soldaten weniger.«
    Vor seinen Augen zog sie die blutverschmierte Kleidung samt Unterwäsche aus und zeigte sich ihm ungeniert nackt, als täte sie das jeden Tag vor Wildfremden. Sie hatte einen trainierten schönen Frauenkörper. Ihre Scham wies keinerlei Behaarung auf, und als sie die Mütze abstreifte, kam ein kahler Schädel zum Vorschein. Die erotische Wirkung wurde allerdings von den zahlreichen großen und kleinen Pflastern am Oberkörper sowie auf den Oberschenkeln und -armen stark geschmälert. Mit aufreizenden Bewegungen verließ sie die Kammer.
    Mitch ächzte und zog den Gürtel aus, mit dem Dorn stocherte er im Handschellenschloss herum; aber das Metallstück war zu dick.
    Hastig sah er sich um. Die Smith&Wesson lag zwar etwas weiter von ihm entfernt, aber …
    Er glitt vom Stuhl und legte sich hin, streckte sich aus und versuchte, den Griff mit den Fingerspitzen zu erreichen.
    Nach ein paar Versuchen und unter großen Schmerzen gelang es ihm. Schnell setzte er sich auf, zielte auf die Schelle, die um den Regalfuß geschlossen war, und drückte zweimal ab.
    Das Schloss zersplitterte, ein kurzer Ruck – und er war frei!
    Mitch riss eine neue Pistole und ein frisches Magazin aus dem Regal und hetzte zum Zünder, um ihn zu deaktivieren.
    Erleichtert sah er, dass die Anzeige ihm noch eine knappe Minute gewährte. Er drückte den Unterbrecher und zog die Vorrichtung aus dem grauen Päckchen – als sein Blick auf den zweiten Zünder fiel, den sie unbemerkt angebracht hatte: ein Erschütterungssensor.
    Der Sprengsatz detonierte in einer großen Verpuffung und löste eine Kettenreaktion aus, von der Mitch Donaghue nichts mehr spürte. Schon die erste Explosion hatte ihn zerrissen.
    Die nachfolgenden Detonationen verwandelten die Kammer und das Haus darum in eine Halde aus Steinen, Holz und geborstenen Leitungen. Feuerwaffen- und Panzerfaustmunition, Handgranaten, Chemikalien mischten sich zu einer neuen Bombe mit ungeheuer destruktiver Wirkung. Die Nachbarhäuser wurden in Mitleidenschaft gezogen und teilweise stark beschädigt, die Fenster bis in achthundert Meter Umkreis gingen durch die rasch aufeinanderfolgenden Druckwellen zu Bruch.
    * * *

Kapitel II
    B iep.
    Biep, biep.
    Klick-fchhhh-klack, klick-fchhhh-klack.
    Biep.
    Biep, biep …
    Ich muss eingeschlafen gewesen sein. Aber …