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Judastöchter

Titel: Judastöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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stieg aus und humpelte gegen den Strom aus Flüchtenden, die sich vor dem vermeintlichen Etagenbrand in Sicherheit bringen wollten. Vor Nummer 2711 blieb er stehen und klopfte. Eine Karte hatte er nicht, damit niemand zurückverfolgen konnte, wo sich Elena befand. »Mach auf! Ich bin’s, Jeoffray!«, rief er. »Wir müssen verschwinden.«
    Elena antwortete nicht.
    Das Schloss war unangetastet, keinerlei Spuren von Gewaltanwendung.
    Entweder sie haben es mit einer Generalkarte geöffnet, oder … vielleicht schläft sie einfach gut?
Wilson musste ernsthaft gegen die Ohnmacht ankämpfen. Der Blutverlust und die Verletzungen, die er davongetragen hatte, nahmen keine Rücksicht auf seine Lage. »Elena! Elena, hörst du mich! Mach die Tür auf!«
    »Brauchen Sie Hilfe, Sir?« Ein Hotelangestellter war neben ihm erschienen und musterte ihn. »Was ist Ihnen denn …«
    »Meine Tochter ist da drin und hat sich wohl eingesperrt. Wären Sie so nett?« Wilson hatte die Pistole unter dem Sakko verborgen, damit er sie jederzeit nutzen konnte. Es war nicht gesagt, dass der Mann neben ihm wirklich zum Haus gehörte.
Oder?
    Der Angestellte nahm seinen Schlüssel heraus und zog ihn durch den Schlitz. Es piepste, und das Signal sprang auf Grün um.
    »Danke.« Wilson öffnete – aber nach wenigen Zentimetern sperrte die Tür. Die Kette spannte sich, doch mit zwei schnellen Schulterrammbewegungen war sie aus der Verankerung gerissen.
    »Sir, das …«
    »Ich bezahle den Schaden.« Wilson betrat rasch das Zimmer, musste sich an der Wand abstützen, um nicht zu straucheln. »Elena? Hast du den Feueralarm nicht gehört?«
Kind, wo bist du?
    Sie gab immer noch keine Antwort.
    »Sir, wir müssen das Hotel verlassen. Es brennt im Stockwerk dreiundzwanzig, und …«
    »Ja! Ich weiß! Glauben Sie mir, ich wäre auch wirklich gerne woanders.« Als einzige Möglichkeit blieb das Bad, und er stürmte hinein.
    Nein!
    Elena lag in der gefüllten Wanne, die Unterarme vom Ellbogen bis zu den Handgelenken geöffnet; auf dem Rand lag eine blutverschmierte Nagelschere, von der ihr Blut die weißen Kacheln hinabrann. Die Lider des Mädchens flatterten, sie versuchte, etwas zu sagen.
    »Nein!« Wilson steckte die Walther Halbautomatik weg und hob Elena aus dem Wasser, nahm Handtücher und band sie fest um die langen Wunden. Sie hatte alles richtig gemacht, um sich das Leben zu nehmen. Längs, nicht quer.
    Doch zu seiner Überraschung wehrte sie sich gegen seine Bemühungen, sie zu retten. »Nein«, flüsterte sie schwach. »Ich will zu einer Vampirin werden.«
    »Nein, das willst du nicht!« Wilson trug sie rasch auf den Flur, nachdem er die provisorischen Verbände angelegt hatte. Jetzt würde er nicht mehr viel machen können, außer:
Das Kind in die Hände von Profis geben. Krankenhaus. Bluttransfusion. Jetzt!
    »Doch«, seufzte sie erlöst. »Dann … kann ich endlich besser … auf Mama und Tante Sia … und dich … aufpassen.« Sie versuchte, das Handtuch zu lösen.
    Wilson drückte sie einfach fester an sich, damit sie sich nicht bewegen konnte. »Aus dem Weg, aus dem Weg!«, brüllte er und pflügte vorwärts. Keine Spur mehr von Schwäche oder Ohnmacht, das Adrenalin in ihm wischte alles zur Seite. Sogar die Kraftausdrücke kamen ihm wie von selbst über die Lippen.
    Wilson hatte das Gefühl, als wäre es seine eigene Tochter, die ihm zwischen seinen Händen verblutete.
Sie darf keinesfalls sterben!
Er bekam eine Vorstellung davon, welcher Horror es war, wenn das eigene Kind in Lebensgefahr schwebte und man nichts dagegen
     tun konnte.
Das war nicht der Plan.
    Rücksichtslos bahnte er sich einen Weg nach unten, und als er die ersten Sanitäter auf sich zukommen sah, gab er ihnen das Mädchen in die Arme. Erleichterung stellte sich nicht ein. Wilson versank in der Masse der Flüchtenden, tauchte darin unter.
    Seine eigenen Wunden würde er selbst verbinden und über Elena wachen.
So schnell es geht.
Seine Aufgabe war noch nicht beendet.
    * * *

18. Februar, Nordirland,
Maghera, 12 Uhr
    S
ie sollen sich fühlen wie am Tag des Jüngsten Gerichts!
Ihre Hand spannte sich um den Pistolengriff, die Finger drückten fest zu. Sia hatte beschlossen, den
TeaRoom
zu stürmen, nachdem sich Wilson nicht mehr zurückmeldete.
    Die Unruhe, die sie fahrig werden ließ, verging nicht mehr und würde sich auch erst legen, wenn sie sich ausgetobt hatte und endlich zu Elena kam. Das U-Boot, das sie dazu benötigte, würde sie sich mit Hilfe von Eric und

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