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Judastöchter

Titel: Judastöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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das Bad. Sie fand, dass sie mit dem überlangen weißen Mantel aussah wie ein Nachwuchs-Jedi, der sich die Robe seines Vaters geklaut hatte.
    Jeoffray hatte mit dem kleinen Wasserkocher einen Tee für sie zubereitet. Hagebutte. Er trug nun einen schwarzen Hausanzug, der sehr bequem aussah. »Here she comes, the little lady.« Er stellte die Tasse auf das Tischchen und setzte sich auf einen der beiden Sessel. »Was machst du bloß für Sachen?«
    »Schlittschuh fahren«, gab sie schnippisch zurück. »Kann ich meine Tante anrufen?«
    »Klar. Aber zuerst reden wir mal. Meine Standpauke hast du dir verdient! Danach wirst du dir das Gleiche von deiner …«
    Elena blitzte ihn an. »Du hast mich verfolgt!«
    »Sah es so aus? Ich war heute zufällig beim Völkerschlachtdenkmal, und du bist mir aufgefallen, weil du ohne Eltern da warst«, erklärte Jeoffray ruhig.
    Als ob er das hätte einschätzen können. Und er müsste gesehen haben, dass ich mit Trishas Mama gesprochen habe.
Elena glaubte ihm nicht. »Und der Mann mit der Bomberjacke und der andere? Was haben die von mir gewollt?« Elena setzte sich und spielte mit dem Fädchen des Teebeutels, zuppelte daran. Kräftig rote Schlieren drangen aus den Poren des Zellstoffs und färbten das Wasser weiter ein. »Mich umbringen?«
    »Ich … bin mir nicht sicher.«
    »Bist du Amerikaner? Du klingst so.«
    »Little lady, das war fast eine Beleidigung. Ich bin Brite.« Er grinste und sah damit ein bisschen aus wie ein Bruder von George Clooney. »Sag mal, wieso
wolltest
du eigentlich ins Eis einbrechen?«
    »Wollte ich gar nicht.« Elena hatte nicht vor, dem Fremden von ihren Vampirplänen zu berichten. »Ich habe gedacht, dass so eine Eisscholle mich immer noch trägt, aber die zwei Männer nicht. Das hat leider nicht gestimmt.«
    Seine freundlichen Augen waren fest auf sie gerichtet, ergründeten ihre Mimik. »Ich kann mich täuschen, aber es sah für mich aus, als hättest du schon vor dem Überfall probiert, ein Loch ins Eis zu schlagen? Und zwar ausgerechnet dort, wo abgesperrt ist. Bist du ein bisschen lebensmüde?«
    »Ich wollte halt sehen, wie dick das Eis ist.« Sie trank von ihrem Tee.
Er sollte mir noch ein paar Fragen beantworten.
»Wo sind denn die Männer abgeblieben?«
    »Ich habe sie verjagt. Ich kann mächtig gefährlich aussehen, wenn ich will.« Jeoffrays heiteres Zwinkern sagte genau das Gegenteil.
    Elena konnte sich ihn so gar nicht als einschüchternden Mann vorstellen. Er sah vollkommen normal und freundlich aus. »Danke sehr«, sagte sie viel zu spät. »Danke für deine Hilfe.«
    »Bitte sehr, little lady.«
    Sie schwiegen, und währenddessen versuchte Elena, sich einen Reim auf alles zu machen. Nach wie vor wusste sie nichts über Jeoffray und über die beiden Angreifer. Sie saß im Hotelzimmer des fremden Mannes, in einem viel zu großen Bademantel, und schlürfte Hagebuttentee.
Sia soll kommen und sich mit Jeoffray unterhalten. Ich verstehe es nicht.
Sie langte nach dem Telefon. »Ich rufe meine Tante an. Sie macht sich bestimmt Sorgen.«
    Jeoffray öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, da flog die Tür aus dem Schloss und schlug mit Wucht gegen die Wand dahinter.
    Der schwarzhaarige Mann mit der Bomberjacke stürmte herein, den Teleskopschlagstock in der Rechten hoch erhoben.
    Elena schrie spitz auf, saß wie angewurzelt auf dem Sessel und wusste nicht, was sie tun sollte. Dieses Mal war der Angreifer keine drei Meter entfernt, und sie sah den Zorn in seinem Blick. Er hatte vor, jemandem weh zu tun.
Ihr
weh zu tun!
    Jeoffray trat gegen das Tischchen. Es flog dem Angreifer samt Untertasse entgegen, prallte gegen dessen Körpermitte und verlangsamte sein Heranstürmen, doch den Schlagstock behielt er fest in der Hand. Hinter ihm tauchte schon sein Kumpan auf.
    Elena langte nach hinten und hielt das Kissen vor sich, um den kommenden Hieb abzumildern.
    Die gewonnenen Sekunden genügten Jeoffray, um seitlich in das Polster zu greifen und eine Pistole mit Schalldämpfer hervorzuziehen.
    Die Augen des Schlagstockträgers wurden groß, und er versuchte, sich zu ducken.
    Jeoffray war schneller und schoss zweimal, traf ihn in die Schulter und die Brust. Aus vollem Lauf geriet der Angreifer ins Stolpern, fiel an Elena vorbei, die ihm noch einen Tritt verpasste, und durchbrach die Scheibe. Seine Finger verfehlten die Vorhänge, an denen er Halt suchen wollte; schreiend stürzte er in die Tiefe.
    Sein Begleiter befand sich bereits auf dem Rückzug, doch auch

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