Judastöchter
ihn erwischten zwei Kugeln. Sie trafen ihn in den Rücken, und er brach auf dem Flur zusammen.
Winterluft strömte in das Zimmer und ließ die langen blutverschmierten Vorhänge wehen. Sie umschmeichelten Elena, malten mit Rot auf den weißen Bademantel. Sie sah Jeoffray als Schemen durch den Stoff.
Er … kann wirklich gefährlich sein!
Von draußen erklangen verschiedene Autohupen und laute Rufe, auch auf dem Korridor wurde geschrien. Die Leichen waren entdeckt worden.
»Komm, wir verschwinden!«, rief er und packte sie am Arm, zog sie mit sich.
Elena musste ihm notgedrungen folgen.
Tante Sia!
»Jeoffray, meine Tante kann uns …«
»Später, little lady«, unterbrach er sie und spähte zum Eingang hinaus. »Schau nicht nach unten.«
Elena musste trotz der Warnung auf die Leiche starren und bemerkte die dünnen Rauchfäden, die aus den Einschusslöchern im Rücken aufstiegen.
Das
war nicht normal!
Wandelwesen!
Sie hatte von Anfang an gespürt, dass es kein Zufall war, auf Jeoffray gestoßen zu sein, und jetzt sah sie den Beweis. Er hatte Silbermunition geladen, mit der er die Angreifer zur Strecke gebracht hatte. Die passenden Vorbereitungen auf den Gegner.
Aber was wollten sie von mir?
Tante Sia hatte ihr von Gestaltenwandlern berichtet, und dass sie selbst einmal in Leipzig mit ihnen aneinandergeraten war. Werwölfe. Das hatte Sia ihr heimlich erzählt. Mama wollte nicht, dass Elena damit »belastet« wurde. Aber nach der Sache in der Ritterstraße, nach dem Massaker, fühlte sich Elena ohnehin verändert.
Warum sollten sie mir nachstellen und nicht Tante Sia?
Jeoffray lief los und hielt sie nach wie vor gepackt. Elena musste ihm folgen, ob sie wollte oder nicht.
Mit dem Lift ging es wieder in die Tiefgarage, wo sie sich durch die Halle pirschten und in den Wagen stiegen. Rasant, aber
kontrolliert fuhr Jeoffray los. Das Ziel sagte er ihr nicht.
Warum hilfst du mir?
Elena betrachtete ihn aus den Augenwinkeln. Ihr mehrfacher Lebensretter war mit einem Schlag interessant geworden und barg Geheimnisse, die sie trotz ihrer leichten Angst ergründen wollte.
Jetzt, wo sie fuhren, fiel ihr die Schere wieder ein. Sie hätte die Waffe einsetzen können, um ihn zu verletzen und zu flüchten. Nichts sprach dagegen, dass sie es zu einem späteren Zeitpunkt versuchen könnte, wenn sie angehalten hatten. »Wohin fahren wir?«
Jeoffray gab keine Antwort, sein Blick war ernst.
* * *
2. Februar, Republik Irland,
Cork, 20.36 Uhr
»Senator!« David O’Liar hob den Arm und machte auf sich aufmerksam. Er erhob sich, um den Mann zu begrüßen, wie es sich für ein Mitglied des irischen Oberhauses gehörte.
Liam Baxter, ein Ire in den besten Jahren und im feinen Zwirn, sah ihn und steuerte auf den Tisch zu, der in eine kleine Nische des Restaurants geschoben war. Zwanzig Euro hatten den Service dazu veranlasst, David den Gefallen zu tun. Keine Zuhörer.
»Mister O’Liar.« Sie schüttelten sich die Hände, setzten sich. »Ich weiß nicht, ob ich mich freue, Sie kennenzulernen.« Er trank vom bereitstehenden Wasser. »Den berühmten Mister Undertake.« Baxter lächelte kalt. »Andere nennen Sie auch Mister To-Do. Sie sind sehr rührig.«
David fühlte, dass der Senator ein schwerer Fall sein würde und eines sehr teuren Essens bedurfte. »Zu viel der Ehre. Alles Kampagnen meiner Neider, Sir.«
»Sie haben einen tüchtigen Berg Neider«, stellte Baxter fest. »Wenn man sich so umhört.«
»Dann sollte ich die Neider wohl zum Schweigen bringen. Sie sind schlecht für meinen Ruf. Wenn Sie mir Namen nennen können, wäre ich Ihnen dankbar.« David sagte es todernst, dann lachte er plötzlich los, um den Eindruck zu erwecken, dass er einen Scherz gemacht hatte. Der Senator fiel mit ein. »Schön, dass Sie dennoch gekommen sind, Sir.«
»Ich bin neugierig.« Er sah zum Kellner, der ihnen die Karten brachte. »Und ich hoffe, dass ich es nicht bereue, Ihre Einladung angenommen zu haben.«
David erwiderte nichts und blätterte in den Menüs. »Sagen Sie, ist Ihre kleine Hütte am Shannon inzwischen fertig? Muss ein Paradies für Angler sein.« Es war seine Art zu sagen, dass man Bescheid wusste und noch auf halbwegs diskretem Abstand blieb.
»Danke, ja. Sie ist schon eingerichtet.« Baxter ging nicht weiter auf die Anspielung ein. Er wählte Bœuf Bourgignon, David das vegetarische Gericht mit Morcheln und Trüffelsoße. »Ich habe damit gerechnet, dass Sie zu mir kommen, Mister O’Liar.« Seine grünen Augen
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