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Judastöchter

Titel: Judastöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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neugierig hereinschauen würde. Er sah sich aufmerksam in alle Richtungen um, aber auf der Straße tat sich nichts Verdächtiges.
    In seinen Achselholstern steckten seine
Glock
Halbautomatik, die er ohne Suppressor benutzen musste; in einer Beinhalterung am Oberschenkel bewahrte er einen überlangen Silberdolch, der schon als Kurzschwert durchgehen konnte, auf. Fernkampf, Nahkampf, er war für alles gerüstet. Das Gefecht konnte beginnen.
    Sein alter, hellgrüner Ford parkte am Straßenrand, genau 267 Meter vom Hintereingang des
Waterfront Club
entfernt, der am Ende einer Sackgasse lag. Die Sackgasse wiederum war zwölf Meter lang und drei Meter breit. Ein Schlauch, ohne jede Deckung. Den störenden Abfallcontainer hatte er gestern Nacht nach vorne an die Straße geschoben.
    Durch die leicht erhöhte Parkposition erhielt Mike freies Schussfeld, die Autodächer des Verkehrs konnten ihn nicht behindern, und die Straße war für Lkws gesperrt. Es würde so einfach wie auf dem Schießstand sein, den

der
BlackDogs
zu eliminieren.
    Mike hatte sich umgehört, viel Geld investiert, zwei Menschen erschossen und einen zum Krüppel geschlagen, um seine Informationen zu bekommen. Die Leben von gewöhnlichen Iren zählten nichts im Vergleich zum Tod des Rí, denn damit wäre eines der mächtigsten Tuath ohne Anführer. Hinterher könnte sich Mike die BlackDogs entweder nacheinander vorknöpfen, oder sie zerfleischten sich bei der Suche nach einem neuen Rí selbst.
    Noch elfeinhalb Minuten bis zum Eintreffen von Finn McFinley.
    Mike ließ das Fenster nach unten gleiten. Straßenlärm drang zu ihm, der Geruch von nasskaltem Asphalt schwappte ins Innere, und von irgendwoher erklang das Lied von Mumford&Sons »Little Lionman«. Wenn ihn nicht alles täuschte, war es live. Wahrscheinlich wurde es in einem Pub von einer Handvoll Nachwuchsmusikern gespielt. Mike konnte sich nicht vorstellen, dass die echte Band hier einen Auftritt absolvierte.
    »I really fucked it up this time, didn’t I, my dear?«, sang Mike eine der eingängigen Refrainzeilen leise mit und sah, dass das Handy aufleuchtete, das er auf die Armaturen gelegt hatte. Der Name
Sídhe
IV
erschien auf dem Display.
    Mike schürzte die Lippen, sah zu, wie das kleine Telefon durch den Vibrationsalarm millimeterweise über das schwarze Plastik wanderte. Nach dreißig Sekunden brummte und leuchtete es noch immer.
    Das tat es auch nach weiteren dreißig und wieder dreißig Sekunden.
    Mike ahnte, dass es nicht mehr aufhören würde, bis er den Anruf entgegengenommen hatte. »Fuck!« Er langte nach dem Handy, drückte den kleinen, grünen Knopf. »Aye?«
    Eine sehr melodische Männerstimme sagte: »Mike, mein Krieger. Wo bist du?«
    »Unterwegs, Sídhe.«
    »Und wo genau?«
    »In Omagh.« Mike hörte an der Tonlage, dass der andere sich beherrschen musste, um ihn nicht anzuschreien.
    »Kann es sein, dass du auf eigene Faust losgezogen bist, mein Krieger?«
    »Sídhe, ich weiß, wo der Rí der BlackDogs sein wird …«
    »Ich weiß es auch, Mike. Er wird im
Waterfront
sein, in wenigen Minuten. Aber habe ich dich dorthin geschickt, damit du ihn erledigst?« Bevor Mike seine Überraschung überwunden hatte, sagte die Stimme bereits: »Nein, das habe ich nicht, mein Krieger!«
    »Sídhe, die BlackDogs sind die gefährlichsten der Tuatha! Heute kann ich deine Feinde mit nur einem Schuss entscheidend schwächen«, hielt er inbrünstig dagegen und kurbelte die Scheibe nach oben. »Du musst mir erlauben, diesen Angriff zu führen! Seine gesamten Oenach werden ebenfalls da sein! Sídhe, ich flehe dich an!«
    »Mike, du bist
mein
Krieger, und ich bin
dein
Herr. Es kann nicht sein, dass der Krieger entscheidet, was nur der Herr entscheiden darf.« Die Stimme hatte ihre Sanftheit verloren, doch sie war noch immer voller Anmut und Grazie.
    Mike wusste nicht, woher er den Mut nahm, als sich seine Lippen wie von selbst bewegten und er sich sagen hörte: »Aber ich
muss
es tun, Sídhe! Es geht um unsere Sache!«
    »Dein Angriff wird die Aufmerksamkeit auf mich und alle anderen Sídhe lenken. Es ist noch zu früh für die ganz große Schlacht!«, wurde er durch den Hörer angeherrscht. »Sie würden ihren gesamten Tuath zusammenrufen und auf die Jagd gehen, bis sie uns aufgespürt und vernichtet hätten. Mike, fahr nach Hause. Heute beginnt der Krieg nicht.«
    »Doch.
Heute
beginnt er! Wir haben uns lange genug verborgen, falschen Frieden geschlossen und sind im Dreck gekrochen.« Mike legte

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