Judastöchter
hier in der Nähe.«
Baxter spie ihm ins Essen und ging.
David grinste. Der Fisch war gefangen. In aller Ruhe tauschte er die Teller und aß das Bœuf Bourgignon zu Ende. Es wäre zu schade, das Fleisch verkommen zu lassen.
Der Telefonanruf, den er mitten beim Essen bekam, verdarb ihm jedoch den Genuss. David musste das Restaurant verlassen. Pläne waren geändert worden.
* * *
2. Februar, Deutschland,
Sachsen, Leipzig, 19.01 Uhr
Mit einem vernehmbaren
Klack
sprang der große Zeiger der Stationsuhr nach rechts, runter von der Zwölf, während der kleine auf der Sieben verharrte.
Na warte, Lieblingsnichte. Das bedeutet einen charmanten Anschiss, sobald du auftauchst.
Sia ärgerte sich.
Sie hatte vorhin mit Trisha telefoniert und von ihr erfahren, dass sich Elena mal eben selbst die Erlaubnis gegeben hatte, nach Hause zu kommen, wie sie wollte. Die S-Bahn, in der Elena angeblich sitzen wollte, hatte vor dem Krankenhaus gehalten und war schon lange wieder abgefahren. Von dem Mädchen keine Spur.
Weitere Gedanken an ihre Nichte musste sie verschieben, denn Professor Axel »Sascha« Kleinert verließ Emmas Krankenzimmer. Sein Gesicht wirkte besorgt.
Er kam schnurstracks auf sie zu und hakte sich bei ihr unter. »Frau Sarkowitz, das Fieber ist gestiegen, und erstmals haben wir auch etwas im Blut gefunden. Noch weiß ich nicht, warum, aber ihre Nieren versagen. Besser gesagt, sie arbeiten nicht so, wie sie sollten.«
Komm mir nicht so!
»Sie haben geschlampt – heißt es das? Hätten Sie das nicht früher feststellen können?« Sia bedauerte im gleichen Moment ihre heftige Reaktion, sie hatte den Arzt mit ihrem raschen Urteil vor den Kopf gestoßen. »Verzeihen Sie. Meine Nichte scheint sich selbst Ausgangsverlängerung erteilt zu haben, und ich bin ein schlechter Ersatz für ihre Mutter. Dann sagen
Sie
noch, dass es ihr schlechter geht als angenommen.«
Kleinert betrachtete sie. »Das ist das erste Mal, Frau Sarkowitz, dass ich Sie so sehe. Und es gefällt mir nicht.« Er legte ihr mitfühlend die Hand auf den Oberarm. »Wir haben nicht geschlampt. Ich bin mir sicher, dass wir es gefunden hätten, wenn etwas zu finden da gewesen wäre. Kann sein, dass es ein altes, unentdecktes Leiden Ihrer Schwester gewesen ist oder eine verzögerte Reaktion auf die Verletzungen. Was die Nierenfehlfunktion ausgelöst hat, wissen wir nicht, aber sie ist plötzlich da.«
»Was für eine Fehlfunktion?«
»Die Blutwerte lassen darauf schließen, dass die Nieren ihren Dienst schlecht verrichten. Ich habe eine regelmäßige Dialyse angeordnet, aber wie es aussieht, brauchen wir auf Dauer eine Spenderniere.« Kleinert nickte ihr zu.
Sia wurde den Eindruck nicht los, dass es so viel bedeutete wie:
Das ist deine Aufgabe.
»Scheiße. Das hat ihr gerade noch gefehlt.«
»Wie gesagt, Sie haben mein volles Mitgefühl. Jetzt entschuldigen Sie mich, bitte.« Der Oberarzt schritt an ihr vorbei und betrat ein anderes Krankenzimmer.
Sia sah zur Tür, hinter der Emma lag, und zögerte. Denn sie hatte Angst, dass sie den Raum betrat und dieses Mal wirklich IHN spürte, den Tod, den dunklen Gevatter, der sich ihrer Schwester annehmen wollte.
Und womöglich machte er sie zur Vampirin …
Dann wären Sias Dolche gefragt.
Ich will sie nicht töten müssen.
Sie hatte einst geglaubt, dass es einen Weg gäbe, den Dämonenpakt zu brechen, der die Schuld daran trug, dass Menschen sich überhaupt nach ihrem Tod in einen Blutsauger verwandelten.
Dieser Pakt wurde von den meisten unwissentlich eingegangen, die wenigsten hatten eine Wahl. Vampire, Werwölfe und andere Kreaturen, die man die Verkörperung des Bösen nannte, waren in Wahrheit nichts weiter als Dämonenknechte. Spieler auf dem Schlachtfeld Erde, wobei keiner der Spieler wirklich wusste, wie die Regeln lauteten, um das Spiel zu gewinnen.
Dämonen markierten ihre Anhänger mit einem Zeichen, das in Form eines Mals oder anderer körperlicher Anomalien daherkommen konnte. Die Kinder des Judas, zu denen sie gehörte, hatten ein Feuermal irgendwo deutlich sichtbar am Körper sowie rote Haare.
Sie kann dem Fluch nicht entkommen, und ich …
Sia war verzweifelt. Das Schicksal als Vampirin sollte keiner ihrer Nachfahren teilen, mit dem Drang nach Blut, der Gier, dem Rausch der Über-Macht und der Verantwortung für den Tod so vieler Lebender.
Es gibt nichts Gutes am Dasein als Blutsaugerin.
Natürlich konnte Kleinert nicht wissen,
was
sie war: eine Vampirin, vor Jahrhunderten gestorben,
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