Judastöchter
die sich
Theaterhaie
nannten. Eine Improvisationstheatertruppe, die zu ihrer nächsten Aufführung lud:
»Die Theaterhaie schnappen zu! Der flotte Dreier der Impro-Szene geht auf die Jagd nach Euren Ideen. Mit reichlich Biss und scharfer Zunge verwandeln wir die Vorgaben des Publikums in spontane Mini-Dramen. Mord oder Märchen, Tragik oder Slapstick – auf der Bühne kann alles geschehen. Theater auf Zuruf vom Feinsten.«
Schade, dass ich dafür keine Zeit habe. Es klingt lustig.
Er dachte auch daran, dass nicht nur auf der Bühne alles geschehen konnte. Das Leben war meist das bessere Theaterstück.
»Oh, entschuldigen Sie! Ich habe Sie nicht gesehen.« Eine Bedienung mit dem Namensschildchen
Jenny
tauchte auf. »Was kann ich für Sie tun?«
»Nicht so schlimm. Drei belegte Brötchen, zwei Kakao, eine kleine Auswahl an Donuts, Saft, alles zum Mitnehmen, und mir bitte einen Assamtee zum Hiertrinken.«
Jenny notierte sich seine Bestellung und machte sich an die Arbeit. Wilson nutzte die Gelegenheit, sein Handy zu checken.
Keine Anrufe in Abwesenheit.
Das bedeutete, dass er von Gutem und Schlechtem verschont geblieben war.
Aber eine SMS war unbemerkt eingegangen, in der ihm Mister Mirror mitteilte, dass er ein vertrauensvolles Team ausgesandt hatte, um die
Operation Shelter
durchzuziehen. Gegen Nachmittag sollte alles gelaufen sein.
Gut.
Aber er entspannte sich nicht, sosehr die nette Bedienung ihm auch zulächelte und an den Armaturen des wuchtigen Zubereitungsautomaten herumschraubte. Die Maschine wollte nicht und weigerte sich, heißes Wasser für den Tee zu liefern.
Ein simpler Wasserkocher hat Vorteile.
Wilson sah zum Eingang des Cafés.
Zuerst hielt er es für eine Täuschung, aber dann erkannte er sie – Black, die in sein Zuhause eingebrochen war und mit der er sich eine Schießerei geliefert hatte! Sie las sich die ausgehängte Tagesempfehlung durch und schlenderte herein.
Wilson verfolgte jede ihrer Bewegungen, als sie sich an einem der hohen Tische auf der Sitzbank niederließ. Er war froh, seine Walther dabeizuhaben. Dieses Mal waren die Voraussetzungen für eine Schießerei ausgeglichener.
»Ich bin gleich bei Ihnen«, rief Jenny und schaltete die Maschine ab, um sie neu zu starten. »Verzeihen Sie«, sagte sie zu ihm. »Dauert noch. Keine Ahnung, warum das Ding spinnt.«
»Kein Problem«, antwortete er und ließ Black nicht aus den Augen, die einen kurzen, braunen Ledermantel über einem schwarzen Rollkragenpullover und Jeans trug. Sie hob die Rechte, reckte den Zeigefinger und winkte ihn zu sich. »Ich warte bei der Lady.« Wilson ging mit sehr gemischten Gefühlen an den Tisch.
»Hallo«, grüßte sie ihn mit ihrem heiseren Flüstern. »Wie stehen die Aktien?«
»Welche meinen Sie? Ich kann Ihnen die Wertpapiere von Walther empfehlen. Ich trage sie immer bei mir.« Er steckte eine Hand in die Tasche, um den Pistolengriff zu umschließen. Sie sollte unmissverständlich wissen, dass er bewaffnet war.
»Dachte ich mir.« Black trug ihre dunkelblonden Haare heute offen, was ihr Gesicht femininer machte. »Ich habe von Leipzig gehört und wollte Ihnen persönlich sagen, dass es nicht unsere Leute waren, die Sie und die Kleine besucht haben.«
»Das ist sehr aufmerksam von Ihnen, Miss Black. Ich dachte es mir.«
Jenny erschien und nahm die Bestellung auf.
Black wählte einen klassischen Kaffee, und die Bedienung verschwand wieder. »Es ist doch traurig, dass heute alles einen besonderen Namen haben muss«, räsonierte sie. »Was ist aus dem Milchkaffee geworden? Heute muss es Latte macchiato oder in der Art heißen, und wenn die Maschine streikt, sitzt man da wie ein Depp. Filterkaffee. Einfacher, schnöder Filterkaffee. Die Menschen sind zu verwöhnt und lassen sich vom Marketing ihren freien Verstand rauben.«
»Ein Latte macchiato ist kein Milchkaffee, sondern ein Milchespresso.« Wilson suchte nach dem Sinn ihres Monologs.
Sie will mich ablenken.
Er sah hinaus zur Galerie, um verdächtig unverdächtige Personen auszumachen. Noch war nicht viel im Center los, und er meinte, zwei Leute entdeckt zu haben, die zu Black gehören könnten. Sie standen am Geländer und taten nichts, außer künstlich den Blickkontakt zu ihm zu vermeiden.
»Und wer war es dann?«, nahm er den Faden ihrer Unterredung auf, ohne sich auf die Kaffeeabhandlung einzulassen. Er war ohnehin Teetrinker. »Wer wollte mich und Elena umbringen?«
»Gemeinsame Feinde, Mister Wilson, vor denen ich Sie heute noch einmal
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