Judastöchter
Gegend?« Sie sah nicht im Geringsten beunruhigt aus. Als besäße sie die Gewissheit, dass sie sicher war oder gleich Verstärkung anrückte, um sie zu befreien.
Was sage ich jetzt?
Wilson bot sich eine unerwartete Möglichkeit an, das Mädchen mit einer falschen Geschichte zu beruhigen. Aber schon schlug das Misstrauen zu.
Sie will mich testen!
Elena schien seine Gedanken gelesen zu haben, denn ihr Lächeln fiel wissend aus. Wissend und berechnend.
Da klopfte es an der Tür.
* * *
Kapitel V
B iep.
Biep, biep.
Biep. Klick-fchhhh-klack, klick-fchhhh-klack.
Biep.
Biep, biep …
Es hat keinen Sinn … vielleicht … die Finger? Ich muss die Finger bewegen, damit Hildegard oder jemand von den Pflegern es bemerkt. Richtig bewegen.
Biep, biep, biep. Klick-fchhhh-klack, klick-fchhhh-klack. Biep. Biep …
Nein, es geht nicht. Mir fehlt die Kraft. Es ist total anstrengend, einen wie toten Leib kontrollieren zu wollen. Ich sollte
eine Runde schlafen. Vorhin haben sie die Temperatur wieder gemessen. Sagte eine Schwester nicht, es sei kurz nach Mitternacht?
Biep, biep, biep. Klick-fchhhh-klack, klick-fchhhh-klack. Biep. Biep …
Aber es muss doch gehen. Irgendwann! Also, noch mal von vorne: Finger, zuckt! Rechte Hand, zuck!
Biep, biep, biep. Klick-fchhhh-klack, klick-fchhhh-klack. Biep. Biep …
Ich bin einfach zu fertig. Und mir ist immer noch schrecklich heiß.
Biep, biep, biep. Klick-fchhhh-klack, klick-fchhhh-klack. Biep. Biep …
Ich könnte ein letztes Mal noch, die Finger … hey! Hey, ich habe gehört, dass ich über das Laken gerutscht bin! Gott, danke sehr! Noch mal, gleich noch mal üben, damit … Ja! Ich höre deutlich, wie ich mit mindestens einem Finger kratze!
Biep, biep, biep. Klick-fchhhh-klack, klick-fchhhh-klack. Biep. Biep …
Jetzt muss nur noch eine Schwester kommen, und wenn sie sieht, wie ich mich bewege, holt sie einen Arzt, und alles wird besser! Ich übe noch, glaube ich. Auch wenn die Müdigkeit immer stärker wird. Ist nicht so leicht.
Biep, biep, biep. Klick-fchhhh-klack, klick-fchhhh-klack. Biep. Biep …
Ausruhen ist gut. Ausruhen, und morgen früh dann … Finger …
Biep, biep, biep. Klick-fchhhh-klack, klick-fchhhh-klack. Biep. Biep …
2. Februar, Großbritannien,
Nordirland, Omagh, 22.21 Uhr
»Es ist mir
scheißegal,
hörst du? Soll ich es dir buchstabieren,
wie
beschissen verfickt scheißegal es mir ist?«, brüllte Finn McFinley in sein Handy, als wäre sein Gesprächspartner in höchstem Grad hörbehindert. »Ich will sofort einen der Wichser von der IRA sprechen. Schaff mir einen her!« Er lauschte schwer atmend, was ihm als Ausrede präsentiert wurde. »Nein, nicht Mitch, fuck, der ist tot! Hast du das nicht gehört, du hirnverbranntes Arschloch!? Der ist hinüber!« Er lauschte. »Wer dann? Das ist mir … fuck! Fuck, du gehst mir auf die Eier. Du …!« In einem eruptiven Wutanfall schleuderte er das Telefon mit einem Schrei quer durch den Raum.
Es prallte gegen die Wand, wo es eine Delle schlug und in Einzelteilen zu Boden fiel.
»Fuck!«, brüllte Finn nochmals und trat einen Stuhl um, bevor er die Whiskeyflasche griff und einen langen Zug nahm.
Im schäbigen Büro des Pubs
Shamerock
herrschte nach dem Ausraster angespanntes Schweigen.
Fünf Schwerbewaffnete in weiten, modischen Markensportanzügen saßen verteilt im Raum, manche hatten Drinks vor sich stehen.
Eine brünette Frau in einem lilafarbenen Catsuit hockte in einem Sessel schräg vor dem gelben Aluschreibtisch und tippte auf ihr Notebook ein. An den Wänden hingen Guinness-Werbeplakate, darüber waren Bilder von Pin-up-Girls getackert worden. Die Regale dienten dazu, Whiskeyflaschen zu horten, verstaubte Pokale waren in eine Ecke geschoben worden.
»Und?«, blaffte Finn sie an. »Was schreiben die Arschlöcher?«
»Kam noch keine Antwort«, gab sie zurück, ohne ihn anzuschauen. Die randlose Brille fiel erst auf den vierten Blick auf, die Bügel waren extrem schmal. »Ich prüfe gerade ein paar IRA - Plattformen, ob es da was gibt. Und hör auf, meine Möbel kaputt zu machen.«
»Es ist mein scheiß Laden, Milly«, raunzte er.
»Aber ich bezahle dir Geld, Schätzchen, damit ich ihn führen und Umsatz machen darf. Ich ziehe den Schaden, den du anrichtest, von der nächsten Miete ab, okay?« Sie blieb absolut entspannt. Milly war seit dreißig Jahren im Kneipenmilieu und hatte einiges mitgemacht. Gerade mit Finn McFinley. Schnell überflog sie die Meldungen im Netz.
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