Judastöchter
Ich habe nicht mal richtig an Sie geglaubt.«
»Sie werden mit Sicherheit Vampiren begegnet sein, aber sie nicht erkannt haben.« Sia zögerte, ihren Verbündeten zu tief einzuweihen. Es bedeutete einen Vorteil ihm gegenüber, nicht alles von sich preiszugeben.
»Ich habe inzwischen verstanden, dass es nicht nur eine Sorte gibt. Ihre roten Haare machen Sie zu etwas Besonderem unter den Blutsaugern, habe ich recht?«
»Möglich«, knurrte sie abweisend.
Wir reden zuerst über andere Vampire, würde ich sagen.
Er lachte leise. »Kommen Sie, Frau Sarkowitz. Geben Sie mir mehr Infos als das, was ich im Internet gefunden habe. Der größte Feind eines Mythos ist das weltweite Netz mit seinen Milliarden an Informationen.«
»Ach ja, stimmt. Ich habe vergessen, dass jeder User nur die Wahrheit schreiben darf, wenn er Einträge in Blogs, auf Homepages und Wiki macht«, hielt sie grinsend dagegen. »Sieht man doch beim Thema Werwolf.« Sia beschloss, den Spieß umzudrehen. »Was sind Sie denn für einer?«
»Ein Mann. Gut gebaut, gutaussehend, einigermaßen vermögend, und ich fahre ein klasse Auto«, gab er heiter zurück. »Ich meine, hey, ein getunter und speziell umgebauter X6 mit Karbonspoilern und knappen siebenhundert PS …«
Sia klatschte zweimal in die Hände. Spöttischer Beifall. »Ja, ich bin beeindruckt. Aber gegen meine Hayabusa …« Ihr fiel ein, dass sie ihre Maschine noch als gestohlen melden musste. Schnell zückte sie ihr Handy und rief die Polizei an, gab sich wieder als Emma aus und erklärte, dass jemand die Maschine ihrer Schwester geraubt hätte.
Der Beamte nahm ihre Anzeige pro forma entgegen und empfahl, dass Sia bei Gelegenheit vorbeikommen sollte, um den Vorgang in Ruhe zu klären. Der Verlust schmerzte sie wirklich.
»Auf ebener Straße hätten Sie keine Chance gehabt«, sagte sie zu Eric und verstaute das Telefon.
Er pochte gegen das Lenkrad. »Zufällig weiß ich, dass mein X6 die Endgeschwindigkeit Ihrer Maschine schafft. Und zur Erinnerung: Es war
Ihre
Entscheidung, unbedingt ein kleines Rennen quer durch das Schrebergartenidyll zu veranstalten.«
»Ja, ich weiß. Blöde Idee«, grummelte sie. »Sind Sie bei unserem ersten Zusammentreffen nicht einen Porsche Cayenne gefahren?«
Er nickte. »Ja. Dummerweise ist das Ding zu einer Art Markenzeichen geworden, an dem mich manche Gestalten früher erkannt haben, als mir lieb war. Es hat die Jagd nicht einfacher gemacht. Ich habe mir ein …«
»Sagen Sie nicht
unauffälligeres!
«
»…
anderes
Modell gesucht«, vollendete er den Satz. »Momentan ist es der X6, bis es wieder was Besseres auf dem Markt gibt.«
Netter Versuch, mich abzulenken.
»Also, zurück zum Thema: Ich habe Ihr Zeichen auf dem Unterarm damals im Krematorium gesehen und weiß, dass Ihre Seele wie meine nach Ihrem Ableben an einen Dämon geht. Da Sie kein Vampir
und
kein Werwolf sind – was sind Sie dann?« Sie war neugierig auf die Antwort.
»Warum sollte
ich
Ihnen was verraten, wenn
Sie
ein Mordsgeheimnis aus sich machen?« Er zeigte auf die Mauer des Südfriedhofs; dahinter und etwas entfernt stemmte sich das Völkerschlachtdenkmal in die Höhe. »Erinnern Sie sich noch? Als wir uns zum ersten Mal getroffen haben?«
Sia lachte auf. »Klar. Werden Sie nicht nostalgisch. Es war ja kein Date. Ich habe Sie aus dem Verbrennungsofen gezerrt, und das nicht gerade sanft.«
Erics Gesichtsausdruck veränderte sich zu ihrer Überraschung; ein kaum wahrnehmbarer Schatten legte sich auf sein ansprechendes Gesicht, aber er schwieg.
Der Umschwung liegt nicht an unserem Zusammentreffen.
Sie sah auf den Arm, wo sie das Zeichen des Höllenfürsten gesehen hatte. Damals. Ihre Blicke wanderten weiter, über das Handgelenk zu den Fingern – und erkannten einen goldenen Ring.
Verheiratet. Ein gutbürgerlicher Dämonendiener.
Sie musste grinsen.
Eric lenkte den X6 an den Fahrbahnrand, sie stiegen aus und kehrten zum Denkmal zurück.
»Na, was sind Sie, Eric?«, setzte Sia nach, während sie die Steigung zu Fuß erklommen.
Er atmete tief durch, sein Atem wehte weiß aus dem Mund und verschmolz mit der Nacht. »Jemand, der einen Fehler begangen hat«, flüsterte er beinahe.
»Dann sind Sie den Pakt freiwillig eingegangen?«
Das Kopfschütteln fiel langsam aus, die halblangen schwarzen Haare schwangen sachte. »Nein. Ein Fluch, der innerhalb unserer Familie weitergegeben wurde. Mit der Hilfe von ein paar Freunden glaubte ich, ihn gebrochen zu haben.«
Sia horchte
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