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Judastöchter

Titel: Judastöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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als Rainal mit den Polizisten zum Streifenwagen ging; dahinter hatte ein
Ghost
angehalten, ein schönes und für die Verhältnisse von Rolls-Royce ungewöhnlich kleines Modell. Understatement in wirtschaftlich schlechten Zeiten. Trotzdem brauchte man Geld, um sich die Limousine leisten zu können.
    Einer der Garda öffnete ihm die Tür, damit sich Righley – nass, wie er war – auf die weißen Lederpolster im Fond setzen konnte. »Hallo«, grüßte er den schlanken Mann, der ebenso hübsch wie groß war. Das erklärte seinen Künstlernamen. Die schwarzen Haare reichten bis ans Kinn und erinnerten an einen Pagenschnitt; der Anzug, den er trug, musste aufgrund des perfekten Sitzes maßgeschneidert sein. Doch bekannt kam er Rainal nicht vor. Das war gut. Somit schied ein betrogener, schlechtgelaunter Geschäftspartner aus. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen, Mister Righley. Helfen können Sie mir in der Tat. Mit ein paar Auskünften.« Sídhe sprach mit einer wohltemperierten Stimme, nicht zu laut und nicht zu dunkel, sondern passend für einen Hypnotiseur. »Ich möchte von Ihnen wissen, Mister Righley, wie Sie auf die Nachtkelten gekommen sind.«
    »Ich?«
    »Sie müssen nicht erstaunt tun. Ihre Kumpels waren bei einem meiner Leute, und sie haben ihm erzählt, dass der Tipp mit den Nachtkelten von Ihnen gekommen sei.« Sídhe richtete seine hellen Augen auf die Pupillen des Mannes. »Aber mein Vertrauter hat Sie niemals gesehen und kennt Sie nicht. Er und ich fragen uns, wie es kommen kann, dass Sie Empfehlungen aussprechen?«
    »Es kann nur eine Verwechslung sein. Wer soll das gewesen sein?« Rainal hätte gerne laut geflucht, aber das wäre zu verräterisch gewesen.
    »Ihre Kumpels nennen sich Stiff und Cougar.« Der Sídhe beobachtete ihn ganz genau und zog dabei ein außergewöhnliches Stilett aus dem Ärmel. Es erinnerte von der Klingenform an ein Skalpell, war jedoch so lang wie eine Hand mit einem filigranen, leicht gebogenen Griff. Die Schneide schimmerte – feucht? Die Drohung war eindeutig.
    »Ah,
die
beiden Jungs. Ja, wir haben uns in einem Pub getroffen und ein paar getrunken, und wir redeten darüber, was so alles in Maghera geht und wo man neue Geschäfte erschließen könnte.« Rainal wartete einen Moment, um die Reaktion von Sídhe zu prüfen.
    »Reden Sie, Mister Righley. Ich höre zu.« Er legte die schmale, bleiche Hand mit dem Messer in den Schoß.
    »Ich hatte mich dabei erinnert, dass ich in einem anderen Pub einen Kerl gesehen und gehört hatte, der mehrfach den Begriff
Nachtkelte
benutzte.« Rainal hatte sämtliche seiner Fuchssensoren für brenzlige Situationen hochgefahren, um nicht die kleinste Regung seines Gegenübers zu verpassen. Es war lebenswichtig, dass er alles mitbekam.
    »In welchem Pub war das, Mister Righley?«
    »Keine Ahnung. Ich war zu besoffen. Der Typ redete jedenfalls über Erweiterung der Gebiete, über andere Banden. Ich habe gedacht, er wollte eine neue Gang aufmachen, und da habe ich meinen Kumpels …«
    Sídhe lachte leise und unterbrach ihn damit. »Sie sind ein Fuchswandler. Sie denken nicht einfach, sondern überlegen sich genau, was Sie verlauten lassen und was nicht.« Er bewegte den Arm, und eine Lichtreflexion fiel vom polierten Griff auf Rainals Gesicht. »Sie lügen. Zwar nicht schlecht, aber Sie lügen. Das ist nicht die ganze Geschichte.«
    »Nein, ist es nicht. Ich habe den Jungs also von der neuen Gruppe erzählt. Stiff meinte, dass er sich das gerne mal näher ansehen würde. Es sei ja eigentlich sein Gebiet, und wie die kleinen Wichser es wagen könnten, einfach so …« Er winkte ab und lehnte sich nach hinten. Rainal wollte den Anschein erwecken, er sei entspannt; in Wahrheit wollte er näher an den Türgriff, um rasch hinausspringen zu können. Das Messer gefiel ihm gar nicht. »Na ja, die üblichen Sprüche von Idioten eben.«
    »Und Sie haben die Idioten an die richtige Adresse geschickt. Sie waren demnach nicht zu besoffen?«
    Rainal nickte. »Sonst hätten sie mich verprügelt.« Er setzte sein schönstes, bestes Fuchslächeln auf. Er konnte auf dem ansprechenden Gesicht des Mannes nichts ablesen, und das machte ihn übervorsichtig. »Was haben sie angestellt?«
    Die schimmernde Klinge zuckte nach vorne und schnitt ihm über die Brust. Es zischte, und aus dem heißen Brennen einer herkömmlichen Wunde wurden Höllenqualen. Rainal schrie auf, er schob sich rückwärts und prallte gegen die Tür. Mit

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