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Judastöchter

Titel: Judastöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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dem
Klang-klang-klang
hörte.
    »Ja?«, rief er auf Deutsch.
    »Verzeihen Sie die Störung«, sagte eine Männerstimme, die er dem Rezeptionisten zuordnen konnte. »Ich habe eine Nachricht für Sie.«
    »Schieben Sie sie unter der Tür durch.« Wilson zog sich langsam zum Fenster zurück, weil er nicht daran glaubte, dass ihm jemand geschrieben hatte. In seiner Vorstellungskraft standen Black und ihre Schläger auf der anderen Seite und hielten dem armen Kerl eine schallgedämpfte Pistole gegen die Schläfe. Es ärgerte ihn maßlos, dass sie ihn trotz der getroffenen Abmachung über Elena und Emma verfolgten, als wären sie Feinde und nicht Verbündete. Im weitesten Sinn.
Sie trauen mir nicht.
Er musste grinsen.
Gut, ich ihnen auch nicht.
    Zu seinem Erstaunen wurde wirklich ein Zettel unter dem Schlitz hindurch in den Raum geschoben, das gefaltete Papier schabte über den abgelaufenen Teppich und blieb liegen.
    Wilson hatte ein Bein bereits ins Freie geschwungen, sah hinab zu Elena, die eben auf den Boden sprang.
Kann die Nachricht wichtig sein?
Sosehr er auch nachdachte, ihm fiel niemand ein, der als Absender in Frage käme.
    Der Zettel wartete auf ihn. Friedlich und lockend. Geheimnisvoll.
    Nein. Weiter nach unten und verschwinden. Ich will Blacks Beistand nicht.
    Als Wilson nach Elena schaute, lag ihr Bademantel im Hof; die leere Tasche mit den Ersatzkleidern wurde vom Wind davongeweht.
    * * *

4. Februar, Großbritannien, Nordirland,
Richtung Dundrum Bay, 08.38 Uhr
    Boída raste den Motorway entlang und verfolgte die Spuren, die Rainal Righley trotz seiner Cleverness hinterlassen hatte. Das waren nicht viele, aber es genügte ihr, sich daran entlangzuhangeln und ihm zu folgen. In erster Linie war es sein durchdringender Fuchsgeruch.
    Ihr Eingreifen gegen den alten Rí der BlackDogs hatte erwartungsgemäß keinen großen Protest in den Reihen der Oenach ausgelöst. Sie hatten sich an ihre Empfehlung gehalten, und somit stand Tim Ambshore als neuer Rí des stärksten Rudels unter den Hundewandlern fest. Boída hatte einen wertvollen Verbündeten mehr.
    Durch einen Zufall hatte sie vom Tod zweier Iren erfahren, die unter rätselhaften Umständen ums Leben gekommen waren. In einer Stadt namens Leipzig. Die Namen konnte sie sehr gut zuordnen: Saufkumpels von Righley, allerdings etwas beschränkte Hundewandler und nicht von der Klasse der BlackDogs. Unterschicht und Aasfresser. Der Ausflug nach Deutschland war ihnen nicht gut bekommen.
    Boída hatte sich Notizen zu dem Vorfall in Leipzig gemacht, weil sie Righley dazu gerne befragen würde. Inzwischen hatte sie herausgefunden, dass der Fuchswandler und seine Gattin Teile von McFinleys Netz aus Wettbüros, Zuhältern und Dealern übernommen hatten und unter dem neuen Namen
Redheads
an den Start gegangen waren.
    Sie summte die Melodie von
Fuchs, du hast die Gans gestohlen
und sah sich als Jäger mit dem Schießgewehr.
    Die Fenster des Mini Coopers waren ganz nach unten gelassen, damit sie den Fahrtwind roch. Die gespaltene, blaue Zunge ließ sie leicht zwischen den Lippen hervorschauen, um Righley riechen zu können. Sie nahm die feinste Nuance von ihm wahr.
    Und genau diese änderte sich mitten auf der Fahrt: eine Prise Righley mit viel Silber gemischt, dazu Blut und Spuren von Rauch sowie verbranntem Fleisch.
    Boída zog auf den Standstreifen und stieg aus, die gespaltenen Zungenenden in den Wind haltend. Der Duft sagte ihr: Jemand hatte ihn geschnappt und mit Silber behandelt. Es war nicht schwer, den Gerüchen zu folgen, die sie zu einer Pfütze führten, geschätzte vierhundert Meter von ihrer Parkposition entfernt.
    Die tiefen Kratzspuren in der feuchten Erde und im Asphalt bewiesen ihr, dass Righley sehr gelitten hatte, bevor ihm das Silber
     den Rest gegeben hatte. Vereinzelt blitzte es im Dreck auf. Silberflitter.
    Boída entdeckte zwei identische Paar Schuhsohlen, grob und geschraubt, die neben dem Wandler gestanden hatten. Scheinbar hatten sie die Leiche zu seinem Wagen geschleppt und waren losgefahren; auf dem Straßenbelag gab es leider keine Abdrücke.
    Ich bin zu spät. Jemand anders war der Jäger, der den Fuchs zur Strecke gebracht hat,
dachte sie. Ihre Quelle für neue Erkenntnisse war versiegt, der Fall Righley abgeschlossen – aber ihre Neugier hielt unvermindert an. Neue Quellen wurden benötigt.
    Sie musste herausfinden, wer den Wandler mit Silber erledigt hatte. Denn für Boída stand es felsenfest, dass die gleichen Leute Mike zu McFinley

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