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Judastöchter

Titel: Judastöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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spürte, schrieb ich dem Sanctum zu. Dabei sind es die Vorboten der dämonischen Kraft gewesen, die in mir verblieben war. Kann sein, dass ich absichtlich nicht daran glauben wollte: Ausgerechnet bei
mir
soll das bewährte Mittel versagen? Ich, der die Kräfte des Bösen in den Dienst des Guten gestellt hatte? Welcher Lohn wäre das?«
    Sia hörte gebannt zu. Unablässig kreiste das Wort Sanctum in ihrem Kopf.
Das Blut Christi kann alle Sorgen von meiner Familie nehmen.
    Sie überlegte, wo man überall Reste des Blutes finden konnte, angefangen beim Turiner Grabtuch bis zur Dornenkrone, dem Kreuz, den Nägeln, der Lanzenspitze.
    Doch es wäre ein unmögliches Unterfangen, die Gegenstände zu finden – und herauszufinden, wieweit es der echte heilige Lebenssaft war und keine Fälschung. Ein Nonnenorden war dafür prädestiniert, eine Vampirin wie sie eher weniger.
Eine Tochter des Judas braucht das Blut Christi – welche Ironie.
    »Jedenfalls hatte ich vorgehabt, der Wandlerjagd abzuschwören und mich meiner Familie zu widmen«, sagte Eric nachdenklich. »Doch die Unruhe nahm zu, und ich fühlte mich berufen, meine Macht weiterhin einzusetzen. Das Debakel in Leipzig hat mich jedoch gewarnt, mich nicht zu übernehmen. Ohne Ihre Hilfe hätte es anders ausgehen können.«
    »Ich weiß nicht.« Sia musterte ihn. »Sie sahen reichlich unbeschadet aus. Das Feuer hat Ihnen nichts antun können.«
    »Aber ich wäre in der Verbrennungskammer recht schnell erstickt.« Als sie die nächste Autobahnauffahrt nahmen, fuhr Eric sehr dicht auf einen Lkw auf, ehe er den X6 auf die Überholspur lenkte und prompt von hinten angehupt wurde. »Verdammt, ich sollte mehr auf den Verkehr achten«, fluchte er und beschleunigte auf über hundertachtzig.
    »Was ist danach geschehen?«
    »Die Aussetzer häuften sich, und ich begriff, dass es nichts mit dem Sanctum zu tun hatte. Der Dämon war in mir geblieben und hatte sich einen anderen Weg gesucht, Besitz von mir zu ergreifen.« Erics Griff wurde fester, das Lenkrad knirschte. »Es gab … unschöne Szenen zu Hause. Ich habe beschlossen, dass es besser ist, wenn ich nicht in der Nähe meiner Frau und meines Kindes bleibe.«
    Sia sah, dass eine Träne aus seinem Augenwinkel sprang und über das stopplige Gesicht lief. Sie hatte eine sehr genaue Vorstellung davon, wie er sich fühlte. Wie sehr es schmerzte, seine Lieben zu vermissen und nichts dagegen tun zu können.
Sind wir uns ähnlicher, als ich gedacht habe?
»Jetzt machen Sie weiter, wo Sie aufgehört haben, und sind wieder auf der Jagd.«
    »Ja.«
    »Warum haben Sie nicht versucht, sich neues Sanctus …«
    »Sanctum.«
    »… Sanctum zu beschaffen?«
    Er stieß ein bitteres Lachen aus. »Sie meinen, es gibt einen Schnelltest, ob man das richtige Zeug gefunden hat oder nicht?« Eric gab Gas. »Ich kann mir denken, dass das Sanctum für Sie auch interessant wäre – fragen Sie deswegen?«
    »Es ist nicht für mich. Aber für jemanden, der mir sehr am Herzen liegt.« Sia fasste es nicht. Jahrhundertelang hatten die Kinder des Judas nach Wegen aus dem Pakt gesucht, die sich als Sackgasse erwiesen, und sie saß mit einem Deutschen im Auto, der eine Möglichkeit kannte. Einfach so. Und die noch größere Sache war, dass es ausgerechnet
Blut
war, das Rettung bedeutete.
Heiliges Blut.
    »Für die Kleine und ihre Mutter, tippe ich. Ich würde Ihnen davon abraten.« Er warf ihr einen kurzen Blick zu. »Sie sind eine Untote, nehme ich an. Jemand, der gestorben ist und ins Leben zurück geholt wurde. Bei Wandelwesen verhält es sich anders: Lebende Menschen werden mit einem Dämon infiziert.«
    Sia verstand die Anspielung sofort. Wenn das Sanctum den Dämonenpakt wirklich löste, könnte es eintreten, dass ihr Herz zu schlagen aufhörte und sie an Ort und Stelle niederfiel. Dieses Mal unwiederbringlich gestorben.
Aber bei Elena und Emma angewendet, könnte es das Schlimmste verhindern.
Ihnen würden viele schöne und vor allem unbeschwerte Jahre zu dritt bleiben. Der Tod würde seinen Schrecken dadurch verlieren, weil er endgültig war. Niemand musste fürchten, als Monstrum zurückzukehren.
    Mit diesem an sich wundervollen Gedanken kehrte die Sorge überwältigend zu ihr zurück.
    Emma könnte bereits tot und zur Vampirin geworden sein, und was die Entführer mit Elena angestellt hatten, wusste sie nicht einmal. Wut kochte in ihr auf, eine heiße Welle flutete ihren Körper und brachte sie dazu, die Zähne fest aufeinanderzubeißen.
    Eric

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