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Judastöchter

Titel: Judastöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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die Finger ins weiße Leder des Sitzes, und die wachsenden Nägel hinterließen tiefe Kratzer, aus denen die Füllung quoll. »Nein, nein«, keuchte er und hustete, was wie ein Fuchsbellen klang. »Ich weiß es nicht. Mir … war es nicht bewusst, dass … sie immun ist …« Fell schoss aus seiner Haut, angefangen vom Nacken und sich von da in alle Richtungen ausbreitend. Das Gesicht verschob sich knisternd und wurde länger, die Fuchsschnauze nahm Gestalt an.
    Sídhe machte ein unglückliches Gesicht. »Hat man Ihnen schon gesagt, dass Füchse stinken?«
    Rainal hatte verstanden, dass es keine Verbrecherbande war, sondern dass die Nachtkelten einen viel gefährlicheren Plan hatten. Das klare Denken fiel ihm schwer, das Animalische hatte seinen Verstand unterwandert und ließ ihn kreatürlich werden. Er bellte Sídhe an, grollte und sabberte auf das Leder. Die Halbform war vollständig erreicht, und die Bestie wollte sich auf den Menschen werfen, um ihn zu strafen.
    »Wir sind fertig, Mister Righley. Sie hatten Ihre Chance wie Ihre beiden Hundekumpels. Wir haben Stiff und Cougar überzeugen können, eine Mission für uns zu erfüllen, aber sie wussten natürlich nicht, dass sie Tontauben waren. Und so erlitten sie das Schicksal aller Tontauben: abgeschossen.«
    Rainal fiel es enorm schwer, sich auf die Worte des Mannes zu fokussieren. Er gab dem drängenden Impuls nach und griff ihn an. Die Vernunft wollte ihn zurückhalten und ihm stattdessen die Flucht durchs Fenster schmackhaft machen, doch die Bestie ließ sich nicht mehr bändigen.
    Sídhe wich mit der Gewandtheit und Routine eines Kämpfers aus. Eine Klaue verfehlte ihn und bohrte sich in die Kopfstütze des Rolls-Royce. »Goodbye, Mister Righley.« Er langte in die andere Jackentasche und zog ein Röhrchen hervor, setzte es an die Lippen und blies hinein.
    Eine Glitzerwolke schoss aus dem anderen Ende und hüllte den Wandler ein.
    Instinktiv hatte Rainal versucht, die Luft anzuhalten, aber es gelang ihm nicht. Die zerstäubten Silberpartikel, sichtbare und unsichtbare, drangen in ihn ein, durch Mund und Nase, legten sich auf die Augen.
    Die Wirkung setzte unverzüglich ein.
    Rainal kreischte und sog noch mehr Silberflitter ein. So musste es sein, wenn man Feuer inhalierte und inwendig verbrannte! Die Tür wurde aufgerissen, Sídhes harter Fußtritt beförderte ihn hinaus, und er fiel in den Regen, landete bäuchlings in einer großen Pfütze. Die Bestie versuchte in tierhafter Manier, sich das Silber aus dem Gesicht zu waschen, und trank in ihrer Panik das dreckige Wasser, um das Brennen zu löschen – was das Argentum noch tiefer in ihre Gedärme beförderte. Qualm drang aus Augen, Mund und Nase, und das Fuchsgejaule wurde noch durchdringender.
    Rainal litt lange, bevor der Tod einsetzte, während die Polizisten über ihm standen und zuschauten, seinen Tod sogar mit den Handys filmten.
    Mit dem letzten Atemzug wurde er wieder zum Menschen und lag nackt in der Pfütze, die Augenhöhlen ausgebrannt, die verschmorten Lippen voller Brandblasen, die Nase existierte nur noch als schwarzer Klumpen, der an geschmolzenes Plastik erinnerte. Die Gesichtshaut wirkte wie mit einem Bunsenbrenner bearbeitet.
    Die Polizisten packten die sterblichen Überreste von Rainal Righley in den Kofferraum seines Wagens, einer setzte sich ans Steuer, und in einer kleinen Kolonne fuhren sie los. Der Rolls-Royce bog unterwegs vom Motorway ab, Garda-Wagen und der Polo setzten ihren Weg bis ans Meer fort.
    Niemand beobachtete die beiden Männer, als sie den Wagen des Wandlers mit seinem Besitzer darin in den Fluten versenkten.
    * * *

3. Februar, Deutschland,
Berlin, Gesundbrunnen, 12.31 Uhr
    Wilson zog die Walther und richtete die Mündung auf die Tür, während er aufstand und zum Fenster ging. Dahinter lag eine Nottreppe, und im Hof darunter war niemand zu sehen.
Ich muss es riskieren.
»Raus«, flüsterte er Elena zu.
    Das Mädchen nickte, schnappte sich die Tasche mit den Kleidern, danach zwei Donuts und kletterte zum Fenster hinaus. Er wunderte sich, wie angstfrei Elena handelte, als würde alles, was sie gemeinsam erlebten, schon immer zu ihrem Leben gehört haben.
    Es klopfte wieder.
    Ich bin Léon der Profi!
Wilson sah sich plötzlich in der Szene mit Jean Reno und Natalie Portman, als die Polizei die Wohnung des Killers stürmen wollte. Allerdings hatte seine Tür keinen Spion im Holz eingelassen. Elena befand sich bereits auf der Metalltreppe, wie er an

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