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Judaswiege: Thriller

Judaswiege: Thriller

Titel: Judaswiege: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Berkeley
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nicht einmal, dass er die Münze überhaupt hatte entscheiden lassen, oder nicht? Nein, entschied der Mann, legte den Gang wieder ein und drehte die Musik lauter. Er würde sich als Erstes um Tina kümmern. Noch wusste er nicht einmal, wo sie wohnte, und er spürte, dass er nicht mehr viel Zeit hatte.

K APITEL 15
     
    August 2011
    The Mission, San Francisco, Kalifornien
     
    Virginia strich Erdnussbutter auf eine weiche Toastbrotscheibe, um dann einen dicken Löffel Brombeermarmelade darauf zu verteilen. Sie grinste ihn über die Kalorienbombe an: »Es war schön letzte Nacht mit dir.«
    Vittorio wusste nicht, was er dazu sagen sollte, und nickte deshalb in stummer Zustimmung. Er fischte eine Melonenscheibe von dem Teller, der in der Mitte des Tisches stand, goss beiden Kaffee nach und klaute ihr den Wirtschaftsteil: »Kein Grund, mich wie einen einfachen Gigolo dumm sterben zu lassen«, zog er sie auf. Achselzuckend machte sie sich über das Feuilleton her. Sie hatten beide ohnehin nicht mehr viel Zeit. Ihre Schicht begann in nicht einmal einer Stunde, und seine Arbeitsstelle lag über vierzig Minuten mit der U-Bahn entfernt in Palo Alto.
    Aber seine Gedanken waren weder bei den aktuellen Börsenkursen in der Zeitung noch bei seinem Terminkalender, der ihn im Büro erwartete und der wie immer prall gefüllt war. In Gedanken schweifte er ab zu dem, was sich Virginia und er für Freitagabend vorgenommen hatten. Er schaute sie über den Frühstückstisch hinweg an. Virginia saß mit angewinkelten Beinen auf dem Küchenstuhl, die Kaffeetasse in beiden Händen und mit dem Kopf über die vor ihr liegende Zeitung gebeugt. Virginia war Ende dreißig, lockere sechs Jahre älter als er, aber sie war die aufregendste Frau, die er je getroffen hatte. Ihre glänzenden rotbraunen Haare waren zu einem festen Pferdeschwanz gebunden, der keck um ihren Hinterkopf baumelte, und ihre Figur war immer noch tadellos. Im Grunde sieht sie jünger aus als ich, sinnierte Vittorio, der, ohne eitel zu sein, wusste, dass er mit seinem Aussehen viele Frauen um den Finger wickeln konnte. Seine frühen grauen Haare hatten dem keinen Abbruch getan, im Gegenteil. Und doch hatte er sich für Virginia entschieden. Von ganzem Herzen. Sie ging mit ihm Wege, die noch keine mit ihm beschritten hatte. Sie war seine Gefährtin, nicht bloß seine Partnerin.
    »Sag mal …«, setzte er an und strich gedankenverloren mit dem Messer über die Butter, die in der Tischmitte stand.
    Virginia blickte auf.
    »Bist du sicher, dass wir das machen sollen?«, fragte er in der Hoffnung, dass sie Nein sagen würde, obwohl es das Letzte war, was er wirklich wollte. Diese Dinge waren kompliziert.
    »Jetzt komm schon«, sie knuffte ihn in den rechten Arm. »Natürlich gehen wir hin. Wenn du schon einmal eine Einladung bekommst, werden wir das wohl kaum ausschlagen. Oder hast du gedacht, ich kneife?«
    »Nein, aber …« Vittorio wusste natürlich, dass sie recht hatte. Niemand würde diese Einladung ablehnen in San Francisco. Zumindest niemand, den er kannte.
    »Ich möchte nur, dass du dir sicher bist, Virge«, sagte er ernst. »Du weißt, dass es dann kein Zurück mehr gibt.«
    An ihrem Gesichtsausdruck erkannte er, dass sie ein wenig zweifelte. So sollte es sein. Als sie sich fünf Minuten später vor ihrer Haustür voneinander verabschiedeten, sie nahm den Muni, den Stadtbus von San Francisco, er die BART, die hiesige U-Bahn, gab er ihr einen Klaps auf den Po.
    »Hey, Virge. Ich freu mich auf Freitag«, bemerkte er fröhlich.
    »Und ich erst«, antwortete sie und gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss, um dann davonzurennen, dem Bus hinterher, der gerade an ihnen vorbeigefahren war. Vittorio lächelte. Er wusste, warum er sie liebte. Vielleicht frage ich sie am Freitag, ob sie mich heiratet. Vittorio saß die gesamte Fahrzeit zur Arbeit mit einem breiten Lächeln in den tiefen Sitzen der BART. Freitag würde ein aufregender Abend.
    —
     
    Als Virginia ihren Spind abschloss, fuhr sie erschreckt zusammen. Sara, die junge Assistenzärztin auf ihrer Station, fragte, keine Zentimeter von ihrem Ohr entfernt: »Hm. Neues Parfüm, neue Klamotten, wenn da mal kein Mann im Spiel ist.«
    Virginia atmete tief durch. Der Schreck über die plötzliche Unterbrechung ihrer Tagträumerei saß ihr noch in den Knochen, aber sie hätte den Teufel getan, sich vor der Kollegin etwas anmerken zu lassen. Deshalb antwortete sie so lässig wie möglich: »Und wenn. Überhaupt, was geht dich

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