Judith McNaught
Fenster, und sie wünschte, er würde endlich
anfangen. Als er sich jedoch endlich mit eisigem Blick zu ihr wandte und mit
einer wilden, leisen Stimme zu reden begann, hätte sie das spannungsgeladene
Schweigen sofort wieder vorgezogen. »Wenn Sie mich jemals wieder«, knurrte er,
»so beleidigen, werde ich Sie vor allen Leuten übers Knie legen und Ihnen die
Tracht Prügel verabreichen, die Sie verdienen. Ist das klar?«
Sie schluckte hörbar und antwortete
mit zitternder Stimme: »Das ist klar.«
Sie dachte, damit sei es erledigt,
aber er schien gerade erst angefangen zu haben. »Was wollten Sie eigentlich
damit er reichen, daß Sie wie wild mit jedem Kerl, der mit Ihnen tanzen
wollte, geflirtet haben?« fragte er mit leiser, unheilverkündender Stimme.
»Daß Sie mich mitten auf der Tanzfläche stehengelassen haben? Daß Sie sich an
DuVilles Arm geschmiegt und an seinen Lippen gehangen haben?«
Der Vorwurf wegen ihres Verhaltens
auf der Tanzfläche schien ihr berechtigt, aber der Rest seiner Strafpredigt
wegen ihres Benehmens dem anderen Geschlecht gegenüber war so ungerecht, so
kleinlich und machte Sherry so wütend, daß ihr Temperament aufflammte. »Was
außer schlechtem Betragen würden Sie von einer Frau erwarten, die so dumm war,
sich mit jemandem wie Sie zu verloben?« schleuderte sie ihm entgegen und merkte
mit Genugtuung, daß seine Maske der Wut für einen Moment von Schock
durchbrochen wurde. »Ich habe heute abend den ganzen abscheulichen Klatsch über
Sie gehört, über Ihre Eroberungen, Ihre chère amie und Ihre Affären mit
verheirateten Frauen! Wie können Sie es wagen, mir Anstand beibringen zu
wollen, wenn Sie selbst der größte Wüstling in ganz England sind!«
Die Gerüchte, die sie heute abend
gehört hatte, hatten sie so gedemütigt und zornig gemacht, daß sie nicht
bemerkte, wie die Muskeln an seinem Kiefer zu zucken begannen. »Kein Wunder,
daß Sie nach Amerika gehen mußten, um eine Braut zu finden«, spottete sie
wütend. »Es überrascht mich nur, daß Sie Ihr lasterhafter Ruf dort nicht
eingeholt hat, Sie – Sie unglaublicher Wüstling! Sie hatten die Frechheit,
sich mit mir zu verloben, während jedermann bei Almack's erwartete, Sie würden
Monica Fitzwaring und einem halben Dutzend anderer Frauen einen Antrag machen.
Wahrscheinlich haben Sie jeder armen Frau, auf die Sie ein Auge geworfen
haben, vorgemacht, Sie würden um ihre Hand anhalten. Es würde mich nicht
überraschen, wenn Sie bei allen genau dasselbe getan hätten wie bei mir – sich
mit ihnen 'im Geheimen' zu verloben und ihnen dann vorschlagen, sie sollten
sich jemand anderen suchen! Nun«, schloß sie in atemlosem, wütendem Triumph,
»ich betrachte mich nicht mehr als Ihre Verlobte. Hören Sie, Mylord? Ich löse
unsere Verlobung hier und jetzt. Von nun an werde ich flirten, mit wem ich
will, wann immer es mir gefällt, und da dann Ihr Name nicht mehr im Spiel ist,
können Sie nichts dagegen sagen. Ist das klar?« verspottete sie ihn mit
seinem eigenen Satz. Dann wartete sie in ärgerlichem Triumph auf seine
Reaktion, aber er sagte kein Wort.
Ungläubig sah sie, wie er die
Augenbrauen hochzog und sie eine endlose, unbehagliche Zeit lang aus
rätselhaften blauen Augen ungerührt anblickte. Dann beugte er sich vor und
streckte die Hand aus.
Völlig außer Fassung wich Sherry
zurück, weil sie dachte, er wolle sie schlagen, aber dann merkte sie, daß er
ihr ganz zwanglos die Hand bot – offenbar ein Handschlag, um das Ende ihrer
Verlobung zu besiegeln. Sie war sich der Tatsache, daß er dagegen nicht im mindesten
protestiert hatte, demütigend bewußt, ihr Stolz jedoch zwang sie, ihm direkt
in die Augen zu schauen und ihm ihre Hand zu geben.
Seine langen Finger schlossen sich
freundlich um ihre Hand, doch dann drückte er sie plötzlich wie eine Schraubzwinge
zusammen und riß Sherry von ihrem Sitz hoch. Sie schrie erstickt auf, als sie
halb liegend in einer unbequemen Haltung auf dem Sitz neben ihm landete. Ihre
Schultern waren an die Tür gedrückt, und seine glitzernden Augen kamen ihr
ganz nahe, als er sich über sie beugte. »Ich bin ernsthaft versucht, Ihnen die
Röcke hochzuheben und Ihnen ein wenig Verstand einzuprügeln«, sagte er mit
erschreckend sanfter Stimme. »Also passen Sie gut auf und ersparen Sie uns beiden
diese schmerzliche Notwendigkeit: Meine Verlobte«, betonte er, »wird
sich anständig betragen, und meine Frau«, fuhr er mit eisiger Arroganz
fort, »wird meinen Namen oder den ihren
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