Judith McNaught
Lancaster.
Er wollte gerade anfangen zu sprechen, als der zweite Butler, ein älterer Mann,
den Stephen als Burletons ehemaligen Bediensteten erkannte, mit einem
höflichen Hüsteln unterbrach und ein wenig verzweifelt sagte: »Miss Lancaster
besteht darauf, sich zu erheben, Mylord. Was sollen wir ihr sagen?«
Stephen wandte seinen Blick dem
Butler zu und lächelte ein bißchen – offensichtlich ging es ihr viel besser.
»Sagen Sie ihr, ich hätte nicht die Absicht, sie noch im Lauf dieser Woche aus
dem Bett zu lassen. Und sagen Sie ihr, ich käme nach dem Essen zu ihr.«
Unempfindlich gegenüber der Mischung aus Schockiertheit, Bewunderung und
Bestürzung, die sich auf Matthews normalerweise ausdruckslosem Gesicht zeigte,
oder gegenüber den falschen Schlußfolgerungen, die der andere Mann aus seiner
lächelnden Bemerkung ziehen konnte, beschloß Stephen, das Problem direkt
anzugehen. »Es sieht so aus, als hätte ich eine Verlobte«, begann er.
»Meinen aufrichtigsten Glückwunsch!«
rief Matthew aus. »Sie ist aber nicht meine Verlobte, sondern Arthur Burletons.«
Nach einer längeren Pause, in der
Matthew sich bemühte, eine passende Antwort auf diese Enthüllung zu
formulieren, erwiderte er: »In diesem Fall überbringen Sie bitte meine ... äh
... Glückwünsche diesem Gentleman.«
»Das geht nicht. Burleton ist tot.«
»Wie bedauerlich.«
»Ich habe ihn getötet.«
»Das ist allerdings schlimm«,
erwiderte Matthew unwillkürlich. Duelle standen unter Strafe, und die Gerichte
gingen in der letzten Zeit streng dagegen vor. Zudem entschärfte die
offenkundige Anwesenheit der Verlobten des Toten im Bett des Earls die Lage
nicht eben. Im Geiste überschlug der Anwalt bereits die bestmögliche
Argumentation zur Verteidigung. Dann fragte er: »Säbel oder Pistolen?«
»Nein, es
war eine Kutsche.«
»Bitte?«
»Ich habe
ihn überfahren.«
»Das ist nicht so direkt wie Säbel
oder Pistolen«, erwiderte Matthew geistesabwesend, »und man kann es auf jeden
Fall leichter verteidigen.« Zu besorgt, um den seltsamen Blick, den der Earl
ihm zuwarf, zu bemerken, fuhr er gedankenverloren fort: »Das Gericht läßt sich
vielleicht davon überzeugen, daß Sie ein Duell gewählt hätten, wenn Sie ihn
wirklich hätten umbringen wollen. Schließlich sind Ihre Schießkünste weithin
bekannt. Wir können Dutzende von Zeugen aufrufen, die das gerne bestätigen.
Theodore Kittering wäre in dieser Hinsicht wirklich ein hervorragender Zeuge –
er galt selbst als ein ausgezeichneter Schütze, bevor Sie ihn an der Schulter
trafen. Nein, wir lassen ihn besser aus der Sache heraus, er mag Sie nicht
sonderlich, und außerdem käme dann bei der Verhandlung ein Duell zur Sprache.
Auch ohne Kitterings Aussage sollten wir das Gericht davon überzeugen können,
daß Sie Burletons Tod nicht absichtlich herbeigeführt haben, sondern daß er rein
zufällig zustandekam und daher, im weitesten Sinn, ein Unfall war.« Höchst
zufrieden mit seiner Logik blickte Matthew den Earl nun endlich direkt an.
Dieser sagte sehr deutlich und sehr langsam: »Auf die Gefahr hin, daß Sie mich
für hoffnungslos begriffsstutzig halten: Dürfte ich Sie bitten, mir zu
erklären, wovon zum Teufel Sie reden?«
»Wie bitte?«
»Verstehe ich richtig, daß Sie
glauben, ich hätte ihn absichtlich überfahren?«
»Ich hatte diesen Eindruck, ja.«
»Und darf man fragen«, sagte seine
Lordschaft gedehnt, »aus welchem Grund ich eine solche Tat begehen sollte?«
»Ich nahm an, das hätte etwas zu tun
mit ... nun, stünde in direkter Beziehung zu ... hm ... der Anwesenheit einer
gewissen jungen Dame, der es nicht erlaubt ist, Ihr ... äh ... Schlafzimmer zu
verlassen.«
Der Earl lachte laut auf. Es klang
ein wenig eingerostet, so als sei er nicht daran gewöhnt zu lachen.
»Natürlich«, sagte Stephen. »Wie
dumm von mir. Sie mußten ja so etwas annehmen.« Er richtete sich in seinem
Sessel auf und fuhr rasch und geschäftsmäßig fort. »Letzte Woche kam die junge
Dame oben – Charise Lancaster – aus Amerika in England an. Sie war mit Burleton
verlobt, und ihre Hochzeit sollte am nächsten Tag mit Sondergenehmigung
stattfinden. Da ich für seinen Tod die Verantwortung trug, und es sonst
niemanden gab, der ihr die traurigen Geschehnisse mitteilen konnte, fuhr ich
natürlich selbst zum Hafen und überbrachte ihr die schlimme Nachricht. Ich
sprach gerade auf dem Pier mit ihr, als irgendein Idiot die Kontrolle über ein
volles Ladenetz verlor, so daß es an
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