Judith McNaught
beschäftigt
gewesen wären. Wäre ich bei beiden Gelegenheiten aufmerksamer gewesen, dann
wäre Charise Lancaster heute abend eine gesunde und stolze Gattin eines
englischen Barons, und das Leben läge vor ihr, wie sie es geplant hatte.«
»Da du dich schon selbst verurteilt
hast«, entgegnete Clayton, der einen Augenblick lang DuVilles Anwesenheit
vergaß, »hast du auch schon deine Strafe festgelegt?«
Jeder im Zimmer wußte, daß Clayton
nur aus Hilflosigkeit und Kummer über die bitteren Selbstvorwürfe, die in
Stephens Stimme mitschwangen, so geredet hatte, doch es war Nicholas DuVille,
der die gespannte Atmosphäre reinigte, indem er humorvoll einwarf: »Darf ich,
um ein häßliches Duell im Morgengrauen zwischen Ihnen beiden zu verhindern,
das mich zwingen würde, zu einer sehr unbequemen und unzivilisierten Zeit
aufzustehen, um Ihnen zu sekundieren, respektvoll vorschlagen, daß Sie lieber
Ihren scharfen Verstand dazu nutzen, die Probleme zu lösen, statt auf der
Ursache herumzureiten?«
»Nicholas hat ganz recht«, murmelte
die Herzoginwitwe in ihr leeres Glas. Ihre Miene war finster und besorgt. Sie
hob den Kopf und fügte hinzu: »Obwohl es unfair ist, Sie in unsere
Familienangelegenheiten hineinzuziehen, können Sie offensichtlich klarer
denken, weil Sie nicht direkt beteiligt sind.«
»Danke, Euer Gnaden. Darf ich Ihnen
meine Überlegungen zu dem Thema mitteilen?« Als beide Frauen nachdrücklich
nickten und keiner der Männer einen Einwand hatte, sagte Nicki: »Wenn ich alles
richtig verstanden habe, war Miss Lancaster offenbar mit einem bettelarmen
Taugenichts verlobt, für den sie zwar zärtliche Gefühle hegte, der ihr aber
nichts anderes als einen Adelstitel bieten konnte. Stimmt das soweit?«
Stephen nickte, sorgfältig bedacht
darauf, neutral zu wirken.
»Und«, fuhr Nicki fort, »aufgrund
zweier Unfälle, für die sich Stephen verantwortlich fühlt, hat Miss Lancaster
nun keinen Verlobten und kein Gedächtnis mehr. Ist das richtig?«
»Richtig«, bestätigte Stephen.
»Soweit ich es verstanden habe,
glaubt ihr Arzt, daß sie ihr Gedächtnis zu gegebener Zeit wiedererlangen wird.
Stimmt auch das?«
Als Stephen nickte, folgerte Nicki:
»Also ist der einzige ständige Verlust, den sie erlitten hat – und für den Sie
sich möglicherweise verantwortlich fühlen sollten –, der eines Verlobten, der
einen bedeutungslosen Titel und einige sehr widerwärtige Angewohnheiten besaß.
In diesem Fall ...«, er erhob sein Glas zu einem spöttischen Toast auf seine
eigenen Geistesgaben – »könnten Sie Ihre Schuld abtragen, indem Sie einfach für
sie einen anderen Verlobten finden, der Burletons Platz einnimmt. Und wenn der
Verlobte, den Sie aussuchen, auch noch ein netter Kerl ist, der ihr einen
angemessenen Lebensstil zu bieten vermag, dann wären Sie nicht nur Ihr
Schuldgefühl los, sondern könnten auch noch mit jeder Berechtigung Stolz
darüber empfinden, sie vor einem Leben voller Qualen und Erniedrigung bewahrt
zu haben.« Er blickte Whitney und dann Stephen an. »Wie war ich bis jetzt?«
»Nicht schlecht«, erwiderte Stephen
mit schwachem Lächeln. »Ich hatte schon einmal eine ähnliche Idee. Jedoch«,
fügte er hinzu, »fällt es leichter, über diesen Plan nachzudenken, als ihn
tatsächlich auszuführen.«
»Oh, ich weiß aber, daß wir es
schaffen könnten, wenn wir uns anstrengen!« rief Whitney aus, ängstlich darauf
bedacht, jede Lösung zu verfolgen, die Stephens Schuldgefühle abbaute und ihnen
allen einen Ausweg aufzeigte. »Wir müssen nur dafür sorgen, daß sie einige der
in Frage kommenden Männer kennenlernt, die während der Saison hier sein werden.«
Hilfesuchend sah sie ihre Schwiegermutter an und wurde mit einem
zuversichtlichen Lächeln bedacht, das die unausgesprochenen Sorgen Lügen
strafte.
»Es gibt ein oder zwei kleinere
Probleme bei diesem Vorhaben«, sagte Stephen trocken. Er wollte jedoch ihren
Enthusiasmus nicht dämpfen. Außerdem kam ihm der Plan jetzt, wo die beiden
Frauen in der Familie so begeistert ihre Unterstützung zusagten, viel
durchführbarer vor als in den letzten Tagen. »Warum überdenken wir das ganze
Projekt nicht alle noch einmal und besprechen die verschiedenen Aspekte morgen
– um ein Uhr hier?« schlug er vor. Als alle zustimmten, warnte er abschließend:
»Um Sherrys willen ist es wichtig, daß wir Probleme vorhersehen und im Vorfeld
ausräumen. Denkt daran, wenn ihr über das Ganze nachdenkt. Ich werde Hugh
Whitticomb eine Nachricht
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