Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders
sich da zum Beispiel ein Gerangel zwischen Herrn Möller und Herrn Bossi entwickeln wird. Da schwelt irgendwas mit den beiden Herren, dazu kommt, daß meine Eltern seit dem Wuppertaler Urteil Herrn Möller nur noch als «Kindermädchen» für mich ansehen, zum mich Besuchen gut genug. Was Herr Möller sagt oder tut, interessiert meine Eltern nicht mehr, sie halten nur noch das für richtig, was Herr Bossi vorhat. Und dieses deckt sich leider nicht genau mit Herrn Möllers Gedanken.
Das alles, lieber Mr. Moor, betrübt mich sehr, und ich kann auch überhaupt nichts daran ändern. Ich sitze hier, bin machtlosund weiß nicht, wie diese verdammten Querelen enden. Zu meinen Gunsten sicher nicht!
Und da wir gerade bei unerfreulichen Dingen sind, bleiben wir bitte noch ein wenig dabei. So gern ich Ihnen, lieber Herr Moor, die Erlaubnis geben würde, einiges, was Sie für wichtig halten, aus meinen Briefen zu zitieren, so wissen Sie doch genau, daß meine «Persönlichkeit» mir nicht mehr gehört, und das bis 1975! Wenn Sie mich also wörtlich und, was wichtig ist, in «wörtlicher Rede» zitieren, dann kann und werde ich wahrscheinlich zivilrechtlich in Teufels Küche kommen. Und das kann ich mir nun wirklich nicht leisten.
Ihnen gefällt es nicht, mir gefällt es nicht, aber ich bin nun mal Herrn Werremeyers «Eigentum». Andererseits haben wir kein Recht, nun Zeter und Mordio zu schreien, denn ich habe nun mal meine Unterschrift gegeben, und außerdem habe ich es beileibe nicht umsonst getan, wenn ich Ihnen auch die Gegenleistung nicht genau darlegen kann. Solange Sie also nicht in direkter Form zitieren, also keine wörtliche Rede, so lange ist es nicht schlimm, denn das muß ich ja nicht Ihnen persönlich gesagt haben. Aber dergleichen ist natürlich journalistisch nicht sehr attraktiv, das sehe ich ein. Aber genausowenig kann ich auf die Gegenleistung der «NEUEN» . [Illustrierten] verzichten. Diese Gegenleistung besteht übrigens nicht aus «günstigen Artikeln». Wahrscheinlich werden Sie mir jetzt böse sein, aber ich kann es doch nun mal nicht ändern.
Eine Selbstverständlichkeit ist für mich die Operation. Ich halte sie für meine Pflicht, der Allgemeinheit gegenüber, weil sie ihr (und auch mir!) auf jeden Fall das größtmögliche Maß an Sicherheit garantiert! Was ist dagegen einzuwenden? Wenn nur die analytische Behandlung erfolgt, und sie auch Erfolg hat, woran ich nicht zweifle!, besteht immer jedoch noch die simple Tatsache, daß die Sexualität als solche, wenn sie auch dann normal, völlig normal ist, doch stets vorhanden ist. Allein der Gedanke jedoch, daß die Sexualität überhaupt noch vorhanden ist, gefällt mir überhaupt nicht!! Ich will, daß sie völlig, und zwar restlos, bei mirausgelöst [sic] wird, und das geht nun mal nur durch eine Gehirn-Operation. Voreilig? Würde sie [ein Pfeilchen führt von «sie» nach «Sexualität» zurück] mir nicht doch fehlen? Das glaube ich nicht, weil ich durch meine Erfahrung alles Sexuelle aufs tiefste verabscheue.
Noch ein Grund kommt dazu: Sie sagen, die Analyse hat Ihnen geholfen bei Ihren Schwierigkeiten, und das stimmt! Sie sagen, auch mir könnte sie helfen, und das glaube ich auch, fest! Aber nun meine Frage an Sie: hat sie alles restlos heilen können? Wenn Sie ehrlich sind, werden Sie zugeben, daß durch diese Behandlung ein Mensch lebensfähig gemacht werden kann (wie Sie), jedoch nicht Wunder gewirkt werden können. Es gibt auch bei dieser Behandlung eine Grenze, denn: sind Sie verheiratet, lieber Herr Moor, haben Sie eine Familie, haben Sie Kinder, haben Sie wirklich ALLES überwunden [sic] können? Sehen Sie!
Wir müssen uns wohl damit abfinden, daß durch ärztliche Behandlung unsere Schwierigkeiten zwar auf ein erträgliches Maß reduziert werden können, ein All-Heil-Mittel jedoch gibt es nicht, und wird es vielleicht nie geben. Darum kann auch ich voraussagen, daß ich, selbst wenn mir geholfen werden kann, doch trotzdem niemals heiraten werde, ganz abgesehen davon, daß ich davon überzeugt bin, daß man, jedermann, in
meinem jetzigen
Alter eine Familie gründen sollte. (Eine «Familie» ohne Kinder ist für mich sowieso indiskutabel.)
[Die ganze folgende Passage ist sorgfältig dreimal unterstrichen:]
Falls ich jedoch einmal entlassen werden sollte, werde ich um vieles, das steht fest, älter sein. Und sollte ich dann heiraten? Sollte ich dann darauf warten, daß meine Kinder, wenn sie mal zehn Jahre alt wären, «Opa» zu mir
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