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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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durfte er sich kaufen, sehen kann er sie praktisch nie, weil er stets auf der Achse ist. Voller Stolz verkündete Mijnheer Kleyngeld, daß er es möglich gemacht habe, daß Heintje sich (in Wien) am Muttertag für ein paar Minuten mit seiner Mutter treffen konnte, bevor es zu neuen Terminen ging. Ich kann mir nicht helfen, ich finde all das erschreckend, Herr Moor.
    Aber wollen wir auch den «alten Leuten zu Hause» kein Unrecht tun: die eigentlich Schuldigen sitzen woanders, reiben sich die Hände und waschen sie gleichzeitig in Unschuld. Lassen Sie mich zum Schluß nur eines sagen, Herr Moor. Ich hoffe, daß diese Leute eines Tages die Quittung dafür bekommen.
    Und wenn es erst bei Philippi wäre   …
     
    Meint Ihr Jürgen
    ***
    [Im August 1969 brachte mir ein Umschlag eine bunte Postkarte – zwei Nelken – von Jürgen.]
     
     
    August 69
     
    Lieber Herr Moor,
    Meiner [sic] ist vom BGH in Karlsruhe vorläufig stattgegeben worden. Der Termin zur endgültigen Entscheidung ist der 18.   11.   1969 in Karlsruhe.
    Stets viele Grüße Ihr Jürgen
    ***
    [In Jordanien, am Schluß eines Besuchs der antiken Stadt Petra, kam es zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen mir und einem Gaul, der mich abwarf, wobei ich mich am Arm verletzte. Der erwähnte «deutsche Analytiker» war der gebürtige Österreicher Prof.   Dr. med. Frederick J.   Hacker, Autor des Buches
Versagt der Mensch oder die Gesellschaft?
, der damals schon lange in Los Angeles lebte, wo ich mit ihm über Jürgen Bartsch sprach. Danach, in der Bundesrepublik, kam es zu einem leider ergebnislosen Treffen von Prof.   Hacker und Prof.   Horst-Eberhard Richter mit Jürgens Vater. Die einzige Frage von Herrn Bartsch an mich danach über Prof.   Hacker: «Sagen Sie mal, stimmt es, daß er Volljude ist?»]
     
     
    Duisburg, Oktober 1969
     
    Lieber Mr.   Moor.
    Nun ist ja endlich der lange private Brief gekommen! Haben Sie recht vielen Dank dafür, besonders für die Schilderung der Reisen und den Hinweis auf PaPü. Ich hatte keine Ahnung, daß dadamals eine Anzeige gemacht worden war von einer Frau, wahrscheinlich einer Mutter, nicht wahr? Daß Sie nach dem deutschen Analytiker, der zur Zeit in U.   S.   A. ist, geschrieben haben, ist außerordentlich nett von Ihnen, obwohl ja allzu große Hoffnung sicher nicht besteht, auf Aussage. Es sind ja letztlich zwei Menschen, die da überzeugt werden müssen.
    Die Sache mit dem Pferd, da habe ich doch, können Sie es mir verzeihen, lachen müssen. Sie sagen, daß es eine Schande sei, als Texaner vom Pferd zu fallen. Schande ist mir ein zu hartes Wort, aber daß es, zumal für einen Texaner, ein Schock sein muß, das leuchtet mir ein. Aber ich als Nicht-Reiter sollte darüber eigentlich mir gar kein Urteil erlauben. Ich würde nicht mal bis in die Steigbügel kommen.
    ***
     
     
    Wuppertal, den 11.   November 1969
     
    … Sie fragten, wie es mit meinem Asthma usw. ist. Jetzt, so kurz vor wieder einer einschneidenden Entscheidung, machen sich diese Beschwerden natürlich besonders bemerkbar. Man kann natürlich nicht damit rechnen, daß die Gesundheit besser wird, je schlimmer es um einen steht. Aber deswegen schließlich bin ich ja hier in Wuppertal, um wegen dieser Beschwerden behandelt zu werden. Die Turnmethode zum Fit-bleiben führe ich noch durch, bis zur dritten Stufe. Weiter reicht die Luft im Moment nicht.
     
    [Normalerweise ließ Jürgen keinen Quadratzentimeter des ihm erlaubten Briefpapiers leer, aber in diesem Brief zeigte sich seine innerliche Unruhe: auf der Rückseite ließ er Dreiviertel des Blattes unbeschrieben.]
    ***
    [Ein ganzes Jahr nach dem Wuppertaler Prozeß wurde es in der seriösen Presse immer noch nicht ruhig um Jürgen Bartsch.Die
Frankfurter Allgemeine Zeitung
vom 22.   November 1969 brachte einen rückblickenden Bericht. Ein Schlüsselsatz daraus: «Es geht hier nicht um eine harte Strafe oder Freispruch. Es geht um eine gerechte und fundierte Entscheidung darüber, ob der sadistisch handelnde Kinderschlächter vielleicht doch ein Schwerkranker ist, der nicht in die Strafzelle, sondern in die therapeutische Anstalt gehört.» Am 6.   November war Jürgen dreiundzwanzig Jahre alt geworden. Es stellt sich zum erstenmal im folgenden Brief heraus, daß er meinen Bericht über den Wuppertaler Prozeß ganz falsch verstanden hatte: Ich hatte ja keineswegs «jede Chance für ihn verneint».]
     
     
    Wuppertal, den 24.   11.   1969
     
    Besonders herzlichen Dank zuerst für

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