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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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Atmosphäre an. Ich könnte niemanden in einem Gefängnis explorieren, dessen Taten derart geartet sind.»
    Oberstaatsanwalt Klein, springt auf: «Hohes Gericht, ich bitte, den Antrag des Prof.   Giese abzulehnen. Eine solche Anstalt wie in Hamburg ist doch nicht so sicher wie ein richtiges Gefängnis. Wenn der Angeklagte nach Hamburg käme – ich hätte keine ruhige Minute mehr, ich könnte keine Nacht mehr schlafen! Herr Professor, können Sie Ihr Wort geben, können Sie garantieren, daß der Angeklagte aus dem Hamburger Institut nicht entweichen kann?»
    Professor Giese: «Das kann ich nicht garantieren, genausowenig wie Sie, Herr Staatsanwalt, garantieren können, daß er nicht hier aus Wuppertal ausbricht   …»
    Vorsitzender: «Aber warum bestehen Sie auf Hamburg?»
    Prof.   Giese: «Ich bestehe nicht auf Hamburg, obwohl ich Hamburg von der Ausstattung her für am besten halte. Ich bestehe lediglich darauf, daß ich die Exploration nicht in einem Gefängnis, sondern in einer Anstalt mit Klinik-Charakter ausführe. Das halte ich für unbedingt notwendig. Das könnte zum Beispiel die Düsseldorfer Heilanstalt sein, die gegenüber den meisten Gefängnissen den Vorzug hat, als ‹noch sicherer› zu gelten   …»
    Mit den besten Grüßen bin und bleibe ich stets Ihr
    Jürgen Bartsch134

10  Briefe IV
    [Ich hatte Jürgen eine ganz allgemeine Frage über seine Eltern zwischen 1933 und 1945 gestellt – und bekam eine merkwürdige Antwort.]
     
     
    Düsseldorf, den 25.   5.   1970
     
    … Schauen Sie, lieber Mr.   Paul, wenn ich etwas Nachteiliges oder Schlimmes über meinen Vater in puncto Nazizeit oder NSDAP wüßte, würde ich es NIEMANDEM (auch Ihnen, meinem Freund) sagen. Aber das steht gar nicht zur Debatte: Ich habe mit meinem Vater niemals über diese Zeit geschrieben noch gesprochen. Und ich habe auch nicht die Absicht, das jemals zu tun. (Wie die meisten jungen Leute in diesem Land, die genauso denken.)
    Das Wenige aber, was ich weiß, ist durchaus möglich, darüber zu sprechen. Mein Vater war im Krieg Oberschirrmeister (Fahrzeugpark), was dem Rang eines Oberfeldwebels entspricht. Als der Krieg, das Schießen, begann, hatte er in etwa schon eine Feldwebel-Stellung inne, so daß er, er sagt es auch selbst, an die «echte», die vorderste Front, niemals hinbrauchte. Er betreute die Motorräder und Autos der Wehrmacht, welche ja stets mehr oder weniger Melde-Dienste in der Etappe verrichteten. Persönlich auch nur einen Schuß auf einen wirklichen Feind abgegeben, das hat er sicher nicht. Mit dem «Weißen im Auge des Gegners» ist er nie in Konflikt gekommen.
    In die Wehrmacht trat er schon 1936 oder 37 freiwillig ein, vielleicht wollte er Berufssoldat werden, vielleicht wollte er auch nicht, wenn der große Knall losging, als einfacher Landser gleich zu Beginn abgeknallt werden, da sich ja jeder ausrechnen konnte, daß der Krieg kommen würde (letztere Begründung halte ich fürdie wahrscheinlichste, weil er durchaus in großen Zeitbegriffen zu denken fähig ist). Zwar ist mein Vater im Krieg verletzt worden, aber nicht im «Nah-Kampf», sondern durch Bomben, und sogar da wohl noch nur indirekt, wenn ich nicht irre. Was ihm durch Bomben, in der Heimat, auf’s Wohnzimmer geworfen, auch hätte passieren können   …
    Nun war er (Gott sei Dank) völlig unpolitisch, bzw. er hatte nie ein Interesse daran, weder vor noch nach den Nazi’s noch bei den Nazi’s, irgendeiner Partei beizutreten. Auch heute nicht. Wahrscheinlich denkt er ganz richtig: «Morgen schon kann es als Verbrechen bezeichnet werden.» Diese Meinung nehme ich auch für mich in Anspruch. Viele Grüße Ihr
    J.   Bartsch134
     
    [Als Anlage zu obigem Brief bekam ich einen Extrabogen mit folgendem Text:]
     
    Nein, sie sind wirklich schwer zu beantworten, Ihre Fragen über die Taten und den «Orgasmus». Die meisten Fragen kann ich heute gar nicht mehr beantworten. So vor ein paar Jahren, 1967   –   68, hätte ich sie wahrscheinlich noch beantworten können, aber heute weiß ich die meisten Einzelheiten schon nicht mehr. Fragen Sie mich nicht, wieso, ich kann es nicht genau sagen. Vielleicht «verdränge» ich mit der Zeit die Einzelheiten? Nun, mir soll es nur lieb sein.
    Also: Daß ich bei den Taten onaniert habe, weiß ich noch, aber nicht mehr, wann. Ich glaube aber, daß ich dabei so eine Art «gedämpften» Orgasmus hatte, einfach schon darum, weil ich durch die ständige sexuelle Lust genauso ständig die bewußte

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