Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
Vom Netzwerk:
war ein Hauch von Eis zu Hause bei uns. Sonntagmorgens saßen wir am Kaffeetisch wie drei kleine Generale mit einem Stock im Kreuz, und der kleine Achtzehn- oder Neunzehnjährige sollte selbstverständlich möglichst kein Wort mitreden. Die beiden unterhielten sich allenfalls mal, und dann: «Halt’s Maul!» In die Wolle gekriegt haben sie sich dann jedesmal. Insbesondere mein Vater hat mich kaum innerhalb von zwanzig Jahren etwas gefragt, so wie zwischen Vater und Kind. Nein, wenn er zu mir sprach, war das irgend etwas, das ich falsch gemacht hatte. Er redete sowieso nur über Arbeit.
    In der Zeit habe ich wirklich viel gesoffen, wenn ich aber richtig betrunken war, merkte das kein Mensch. Wenn ich aber mal ein Glas Bier trank, bevor ich zu Hause reinkam, ging das Theater schon wieder los. Von meiner Mutter aus durfte ich kein einziges Glas Bier trinken, da war eben das Geschrei da. Ich sagte, ich hätte nur ein Glas Bier getrunken, aber sie sagte: «Vollgesoffen hast du dich!» Bei diesen Gelegenheiten wollte sie mich züchtigen, egal ob ich siebzehn, achtzehn oder neunzehn war. Da ging sie auf mich mit den Fäusten los. Gerade weil ich ein lieber Junge war, hätte ich natürlich nie gewagt, auch niemals im Traum gedacht, mich gegen meine Mutter ernstlich zu wehren in dem Sinne, daß ich zurückgeschlagen hätte. Aber mit achtzehn oder neunzehn habe ich gewagt, ihre Hände festzuhalten. Dann geriet sie außer Rand und Band. Sie ging ins Schlafzimmer rein und warf sich aufs Bett, und dann ging das Gebrüll los, wofür man sein Lebenlang geopfert habe und so.
    Aber wenn ich wirklich bedusselt war, ist es mir kein einziges Mal passiert, daß sie das tatsächlich merkte. Daß ich am nächsten Tag kotzte, das haben sie auf andere Dinge zurückgeführt.
    Im letzten Jahr vor meiner Verhaftung gab es am ersten Mittwoch im Monat die Sitzung vom Magischen Zirkel. Die letzten Male bin ich gar nicht hingegangen. Stattdessen bin ich mit dem Auto auf Suche gefahren, obwohl es schon abends war. Da hatte ich so lange Zeit, von etwa 18 bis 24   Uhr. Das war natürlich irgendwie blödsinnig; spätestens um acht waren die Kinder meistensvon der Straße weg, aber ich habe es wenigstens versucht. Es wird sich dumm anhören, aber ich hielt es für meine Pflicht.
     
    In der Zeit kurz vor meiner Verhaftung, vielleicht drei Monate lang, habe ich ein Tagebuch gehabt, aber das war kein richtiges Tagebuch. Darin habe ich jeweils den Plan für die Zeiten gemacht, in denen ich das Verbrechen begehen wollte. Am Anfang habe ich drei Kreuze hingemacht, das sollten die drei schon geschehenen Fälle sein. Als Plan habe ich mir z.   B. aufgeschrieben, so und so viel Uhr vom Geschäft wegfahren, so und so viel Uhr Taxi, so und so viel Uhr Koffer holen, so und so viel Uhr Ankunft in Hattingen, so und so viel Uhr den Jungen in die Höhle reinschaffen und so und so viel Uhr zu Hause sein. Das habe ich alles in Spiegelschrift eingetragen.
     
    Nachdem ich die Koffermethode fallenließ, habe ich mich ganz auf Taxifahrten beschränkt. So wie ich vorher mit dem Auto fuhr, jetzt machte ich Taxifahrten nach einer bestimmten Stadt. Das war mal Bochum, mal Essen, mal Neviges, mal Velbert usw. Es war mir bewußt, daß die Fahrt zurück zur Höhle in einem anderen Taxi sehr gefährlich war, aber ich habe das in Kauf genommen.
    Insgesamt habe ich vielleicht hundert Jungen angesprochen, und in vielen Fällen bin ich hinterher gewesen. Meistens wehrten sie ab, oder sie liefen weg.
    Was in der Höhle geschah, daran kann ich mich heute teilweise nicht so genau erinnern. Es hat sich herausgestellt, daß ich im zweiten Fall den Ort in der Höhle verwechselte oder vergaß.
    Mit dem Beriechen des Fleisches war das nicht so bedeutungsvoll in der extremen Form, wie es im ersten Urteil dargestellt wird, aber mit dem Befühlen ist es schon richtig, das in der Hand zu haben vor allen Dingen. So gerne habe ich den Gestank in der Metzgerei nicht gehabt. Ich würde das Riechen und das Befühlen als eine Art sexuelle Machtlust bezeichnen. Es hatte viel mit Sexualität und auch viel mit bösartiger Machtübung zu tun. Ichwar irgendwie «der König», oder so ähnlich. Andere Einzelheiten in meinen Phantasien sind erst im Laufe der Zeit dazugekommen, aber der Gedanke, den Darm rauszureißen, war schon ziemlich früh da. Warum, weiß ich nicht. Das hatte mit Sadismus zu tun, mit Quälen, aber der Sinn war natürlich verloren, da das Kind ja schon tot war. Das war natürlich nicht

Weitere Kostenlose Bücher