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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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Tag. Im Fall Kahlweiss fiel mir das so frappierend auf, der Junge hatte so schöne weiße Unterwäsche an, die er gerade am Morgen, vielleicht erst am Mittag angezogen hatte. Das war irgendwie ein ganz komisches Gefühl für mich. Das sind so bestimmte Einzelheiten, an die man wieder denkt. Ich möchte nun nicht sagen, daß ich, weil er so nett und lieb und sauber war, daß ich nun deswegen ganz besonders – ach Gott, ich weiß es nicht! Ich kann nur soviel sagen, daß mir das ein ganz, ganz besonderer Genuß war, die nun mal runterzureißen. Ich hatte eine bestimmte Aggression gegen diese allzu frische Sache, das steht fest, aber ich kann es nicht genau definieren.
     
    Eine Woche später bin ich nach Velbert gefahren. Ich habe ein Plakat gesehen, daß in Velbert Kirmes wäre, und Samstag nach Feierabend im Geschäft bin ich hingefahren. Ich hatte noch einpaar Bestellungen im Wagen, die ich eigentlich hätte austragen müssen, aber das war mir egal.
    Es ist traurig, daß ich nach einer Woche schon wieder soweit war. Auf der Kirmes bin ich Auto-Scooter gefahren. Einen Jungen habe ich angesprochen, aber vom Mitfahren wollte er nichts wissen. Ich habe eine halbe Stunde gewartet. Und da stand der Junge, der Ulrich. Ich habe ihn gefragt, und er wollte mitfahren.
    Bestimmt eine Stunde sind wir da auf dem Kirmesplatz rumgefahren, überall, Geisterbahn, auch «Allround» hieß ein Ding. Ich mag Kirmesplätze gern. Auch ohne alles war ich gern auf dem Kirmesplatz. Ich wäre jeden Tag hingegangen, ich würde auch heute jeden Tag hingehen, wenn ich es könnte. Es ist sehr nett.
    Und dann habe ich das Kind gefragt, ob es mitfahren wollte. Ich habe ihm irgendwas erzählt, ich hätte noch irgendwo etwas abzugeben, und da könnte er Geld für kriegen. Der Junge war an sich ein ganz besonders lieber, netter Junge. Er wollte gar kein Geld haben. Er sagte: «Nein, Sie haben schon so viel für mich bezahlt, ich will kein Geld von Ihnen haben.» Er ist aber trotzdem mitgefahren. Unterwegs habe ich dann angehalten und ihm einen Fünfzigmarkschein in die Hand gedrückt. Ich habe ihn ihm in die Tasche geschoben. Er wollte ihn wirklich nicht haben.
    Eine Sache ist eigentlich nicht zu fassen. Wenn der eine Junge eine Woche vorher in die Polizeiwache reingegangen wäre, wäre alles gut gewesen. Und wenn jetzt, beim dritten Fall, das Schloß an unserem Scheißauto nicht falsch herum eingesetzt gewesen wäre, wäre mir dieser Junge weggelaufen. Ich bin mit ihm auf einem Feldweg irgendwo angehalten. Als ich mich zu ihm rüberbeugte, wollte er zur Tür hin und den Hebel runterdrücken, aber das Türschloß saß verkehrt drin. Er hätte den Griff nach oben drehen müssen, aber das konnte er nicht wissen. Da war es natürlich aus, da hatte ich ihn in der Hand. Der andere Junge war nur ängstlich gewesen, aber dieser wußte irgendwie, was los war. Ich weiß nicht wie, aber er wußte genau, was ihm blühte. Er hat nämlich geschrien: «Ich hab’s ja geahnt, ich hab’s ja geahnt!»
    Dann habe ich ihn ausgezogen und gefesselt. Er jammerte, ermüßte um sieben zu Hause sein. Ich wollte mit ihm zur Höhle fahren, aber vorher bin ich mit ihm auf einen Acker gefahren. Ich habe ihm gesagt: «Ganz still jetzt! Drehe dich nach vorne!» Und dann habe ich einen schweren Hammer genommen und ihm von hinten auf den Kopf geschlagen. Zuerst schrie er ganz furchtbar laut, dann war er ab. Das war eine furchtbare Angelegenheit. Ich habe seinen Namen nicht einmal gekannt. Ich habe das aus der Zeitung erfahren.
    Ich nahm an, der Junge war schon gestorben. Ich bin mit ihm dann nach Langenberg gefahren, vor das Scheißding, vor die Höhle. An dem Tag liefen da nun dauernd Leute. Ich mußte an der Höhle vorbeifahren, dann weiter in Richtung Langenberger Sender, auf dem Berg, eine Serpentinenstraße, wo Bauernhöfe stehen. Der Junge lag immer noch daneben. Er hat bald kein Blut mehr gehabt. Der ganze Boden vom Wagen war alles voll Blut.
    Auf einmal fing das Getriebe an, zu brüllen. Es muß irgendwas da reingelaufen sein. Die Kupplung war durchgedreht. Er konnte nicht den Berg hoch weiterfahren. Ich mußte umdrehen und zurück. Das hat mich natürlich ziemlich mitgenommen. Ich bin dann auf einen Parkplatz gefahren. Ich habe natürlich gedacht, daß der Junge tot war, nachdem er so viel Blut verloren hatte, aber auf einmal da am Parkplatz kam er wieder hoch. Da habe ich wieder drauflosgeschlagen, aber diesmal wirklich bloß aus Entsetzen. Er regte sich dann noch, aber

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