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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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Zweifel hofft der Richter, daß der von ihm Verurteilte seine Persönlichkeit ändern wird. Aber durch welche Einflüsse? Kein Richter wird wünschen, daß dies durch Übernahme der Merkmale geschieht, die das Gefangenen-Leben bestimmen   … George Bernard Shaw nannte es eines der Hauptübel des Gefängnissystems, daß es Unmenschlichkeiten im geheimen ermöglicht; würde die Öffentlichkeit diese Behandlung sehen, sie würde sie keinesfalls dulden.
    Karl Menninger
     
    Die Beurteilung der seelischen Verfassung eines Täters durch Gericht und Gutachter konzentriert sich auf die Frage: war der Betreffende in einer Verfassung, die als krank oder krankhaft oder krankheitswertig zu bezeichnen ist? Juristen und Mediziner haben hierüber unterschiedliche Auffassungen, aber auch die Mediziner untereinander sind sich keineswegs einig darüber, was als «krank» bewertet oder behandelt werden sollte. Diesseits aller ausgefeilten Definitionen läßt sich fragen: Beweist nicht jemand allein durch Taten, wie sie von Bartsch verübt wurden, daß er krank ist? Kann jemand, der Morde plant und mordet, der in immer neuen Variationen davon träumt, andere Menschen abzuschlachten, «normal» sein?
    Wilfried Rasch
     
    Schon 1929 hatte der Psychoanalytiker Franz Alexander geschrieben: «Die Forderung Liszts, daß das Gericht nicht zur Tat, sondern zum Täter Stellung nehmen soll, mußte bis heute, so lange, als Freud nicht die Erforschung der Persönlichkeit zu einerexakten Wissenschaft entwickelt hatte, ein frommer Wunsch bleiben. Der Einlaß der Psychoanalyse in den Gerichtssaal wird den ersten Schritt zur Verwirklichung dieser Forderung bedeuten.» Nun, bloß zweiundvierzig Jahre später, erschien zum erstenmal in Deutschland ein Psychoanalytiker, Prof.   Dr. med. Tobias Brocher, als Gutachter bei einem solchen Prozeß.
    In den ersten Verhandlungstagen wurde die schon fast unbestrittene Glaubwürdigkeit des Angeklagten in ein paar wichtigen Punkten noch gefestigt. Das aber bedeutete zugleich die Vernichtung der Existenz eines damals siebenundfünfzigjährigen katholischen Priesters, der fast sein ganzes Leben als Erzieher der Jugend in einem Internat für Jugendliche gewirkt hatte. Die Kammer in Düsseldorf, im Gegensatz zu der Jugendkammer in Wuppertal, interessierte sich doch für die Behauptungen des Angeklagten, daß eine schockierende Grausamkeit die damaligen Erziehungsmethoden im Don-Bosco-Heim in Marienhausen geprägt habe. Die Behauptungen, die Jürgen Bartsch zum erstenmal in seinen Briefen an mich machte, gingen so weit, daß man mehrere Einzelheiten bezweifeln mußte. Die Düsseldorfer Kammer hat sich die Mühe gemacht, vier andere frühere Alumnen desselben Heimes als Zeugen vorzuladen. Das Ergebnis dieser Ermittlung glich fast einer rituellen Vernichtung des Priesters, den ich in diesem Buch Gerhard Pütlitz nenne, von seinen alles andere als liebenden Schülern «PaPü» genannt.
    Die Düsseldorfer Kammer hat sich ungewöhnliche Mühe gegeben, die Wahrheit in diesem heiklen Komplex festzustellen; einen Zeugen hat sie sogar auf Gerichtskosten aus Südafrika geholt. Er hätte schon in Wuppertal aussagen können: Vor fünf langen Jahren, als er von der Festnahme des Marienhausener Schülers las (und während deren Jürgen Bartsch in Einzelhaft verkommen mußte), hat er sich freiwillig als Zeuge gemeldet, obwohl er Jürgen selber gar nicht gekannt hatte. Die Wuppertaler Jugendkammer zeigte kein Interesse an seiner Aussage.
    In Düsseldorf haben die vier bestellten Marienhausener (einige zusätzliche haben sich noch während des Prozesses freiwillig gemeldet)im allgemeinen die Anschuldigungen von Jürgen bestätigt – und noch viel mehr; wie ein Anwesender im Gerichtssaal während ihrer Aussagen es schilderte: «Die Priester schienen nur zu unterrichten, wenn sie gerade nicht mit dem Verprügeln der Schüler beschäftigt waren.» Zu den Strafmaßnahmen gehörte es zum Beispiel, daß man auf die nackte Haut heißes Kerzenwachs tropfen ließ, manchmal auch brennenden Siegellack. Als PaPü selber in den Gerichtssaal kam, grüßte ihn ein Gemurmel von seinen früheren Schützlingen, z.   B.: «Da kommt das Schwein!» Mehrmals während der wendigen Aussage des Priesters hörte man von den vier jungen Männern hinter ihm solche Zwischenrufe wie «Ist ja gelogen!»
    Nicht nur der Verteidiger von Jürgen Bartsch, Rolf Bossi, sondern auch der Staatsanwalt versuchte vergeblich, ein klares Ja oder Nein von PaPü zu bekommen. Er

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