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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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zur Parodie geradezu herausforderten. Ein trockener Kommentar kam von Wilfried Rasch: «Soll Jürgen Bartsch sich wirklich eines Tages gesagt haben, ‹Also, nun bin ich zwölf, dreizehn, vierzehn Jahre alt. Was mache ich aus meinem Leben? Ich glaube – ich werde Kindermörder.»› Herr Rasch machte eine kurze Pause und schüttelte ausdrucksvoll den Kopf. Jürgens Marienhausener Aufenthalt sei «zur Drehscheibe» in seinem Leben geworden. «Es ging Jürgen Bartsch darum, einen Menschen ganz zu besitzen   … Wir unterhalten uns über die Diagnose, während für Bartsch seit fünf Jahren nichts geschieht. Ohne geeignete ärztliche Behandlung ist er bis heute seinen weiterwuchernden Tötungsphantasien hilflos ausgeliefert.»
    Ein anderer Kommentar kam von Elisabeth Müller-Luckmann, die Frau Mantells Behauptung nicht kommentarlos stehenließ,es habe «viel schlimmere Milieus» als das Elternhaus Bartsch gegeben. Frau Müller-Luckmann sagte lakonisch: «Das Erstaunliche an den K Z-Lagern war nicht die Todesquote, sondern die Zahl der Überlebenden.» Sie sagte auch: «Bartsch hat sich diese perverse Lebensform nicht gewählt, er ist in sie hineingeraten. Der Angeklagte wurde durch eine fatale Vorgeschichte geprägt.»
    Die ganze Gutachterei in Düsseldorf hat den Staatsanwalt Heydenreich nicht weiter gebracht als seinen Kollegen Klein in Wuppertal: Auch Heydenreich hat «lebenslänglich» für Jürgen Bartsch verlangt. Er donnerte, sein Verlangen nach «lebenslänglich» sei nicht von Rache oder Sühne bestimmt: «Diese Taten können nicht gesühnt werden!» Die tatsächliche, zweifellos unbewußte Motivierung seiner sichtbaren und klar hörbaren Erregung hat er nicht zum Ausdruck gebracht.
    Auch in diesem Prozeß merkte man mehrmals, wie langsam alte, ja sogar veraltete Ideen sterben. Man kann allenfalls darüber spekulieren, wieviel im Plädoyer des Verteidigers und auch im Urteil des Vorsitzenden für «die breite Masse» bestimmt war. Verteidiger Bossi sprach pathetisch von der «Prädestinierung, die Jürgen Bartsch in die Wiege gelegt wurde», Vorsitzende Fischer von einer «ererblichen Charakteranlage», obwohl die modernen Erkenntnisse der Psychologie solche Theorien ein für allemal diskreditiert haben. Glücklicherweise blieben solche Kommentare verhältnismäßig unwichtige Randerscheinungen.
    Der Landgerichtsdirektor Kurt Fischer, ansonsten ein eminent fairer und unparteiischer Richter, ließ eine wohl unbewußte Befangenheit spüren. Sexuelle Beziehungen zwischen zwei Menschen desselben Geschlechts gelten bekanntlich als homosexuell, ohne daß man sie ausdrücklich als solche bezeichnen muß. Fischer sprach jedoch wiederholt von «den homosexuellen Wünschen» und «den homosexuellen Handlungen» des Jürgen Bartsch. Rechtsanwalt Bossi hat seinen Mandanten glänzend verteidigt. Wie viel er aber von dessen Problemen tatsächlich verstand, wie viele Recherchen er angestellt haben mag, ließ die bemerkenswerteTatsache ahnen, daß ihm das siebzig Jahre früher erschienene, damals bahnbrechende Werk von Richard von Krafft-Ebing
Psychopathia sexualis
bis kurz vor Ende des Prozesses kein Begriff war. Allerdings eine psychologische Ausbildung der Juristen Fischer und Bossi wäre wohl zuviel verlangt. Ihre Fähigkeiten als Richter und Anwalt haben sie imponierend erwiesen. Fischer hat zusammenfassend gesagt: «Wir müssen die menschliche Seite dieses Falles sehen. Sie sollte uns näher liegen als manches kleinliche juristische Argument.»
    Das Urteil über Jürgen Bartsch in Düsseldorf lautete:
    «Der Angeklagte ist schuldig des vierfachen Mordes, tateinheitlich begangen mit Kindesraub und Unzucht mit Kindern, in drei Fällen auch in Tateinheit mit Gewaltunzucht zwischen Männern sowie des versuchten Mordes, tateinheitlich begangen mit Kindesraub und Gewaltunzucht mit Männern. Er wird zu einer Jugendstrafe von zehn Jahren verurteilt, auf die die Untersuchungshaft angerechnet wird. Die Unterbringung des Angeklagten in eine Heil- und Pflegeanstalt wird angeordnet.»
    Im
Stern
hat Jürgen Serke, einer der verantwortungsvollsten und gewissenhaftesten Berichterstatter beim Düsseldorfer Prozeß, Rolf Bossi folgendermaßen zitiert: «Wenn alles klappt, wird Jürgen Bartsch in zehn Jahren resozialisiert sein und wieder in die Freiheit zurückkehren können.»
    Über die Begründung des Urteils berichtete die
Frankfurter Allgemeine Zeitung
am 7.   April 1971: «Der Vorsitzende stellte fest, dem Angeklagten, der seine

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