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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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jedes dritte Kind einen Kindergartenplatz – und in den überfüllten Kindergärten werden die traditionellen Erziehungsmethoden oft noch rücksichtsloser gehandhabt als in den Familien. Mit einem Zehntel Quadratmeter – etwa 30 × 30   cm – stellt die Bundesrepublik den kleinsten Spielplatz pro Kind in Westeuropa.»
    Siebzehn Jahre später, zwölf Jahre nach Jürgens Tod, wollte ich meinen damaligen Artikel aktualisieren und recherchierte nach neuen Statistiken. Aufgrund eines hilfreichen Briefes von Walter Wilken, dem Geschäftsführer des Deutschen Kinderschutzbundes, muß ich eine meiner obigen Angaben um drei Jahre korrigieren: Das Bürgerliche Gesetzbuch räumt heute den Eltern fast uneingeschränkte Gewalt über ihr Kind nicht mehr bis zu seinem einundzwanzigsten, sondern bloß bis zu seinem achtzehnten Geburtstag ein.
    Zur Zeit des Düsseldorfer Prozesses – 1971 – wurde nur ein Fall von Kindesmißhandlung unter zwanzig bekannt. Am 16.   August 1988 schrieb mir Wilken:
    «Jedes Jahr wird in der polizeilichen Kriminalstatistik von zwischen 1400 und 1500 bekanntgewordenen Fällen berichtet. Wie hoch die Zahl der nicht bekanntgewordenen Fälle ist – es sind sehr viele   –, entzieht sich unserer Kenntnis. Die Bundesrepublik glänzt dadurch, daß wir hierzulande über keinerlei entsprechende Forschungen verfügen und deshalb auch keine Aussage über die sogenannte Dunkelziffer gemacht werden kann. Man kann bestenfalls sagen, daß über die der Polizei bekanntgewordenen Fälle hinaus von Experten eine weitaus größere Zahl angenommen wird.
    Mindestens ebenso bedeutsam wie die Kindesmißhandlung ist die sexuelle Ausbeutung von Kindern. Hier werden jährlich etwa zehntausend Fälle der Polizei bekannt; die Dunkelziffer ist darüber hinaus auch erheblich.
    Die psychische Mißhandlung von Kindern ist – weil nicht strafbewehrt – natürlich auch polizeilich nicht erfaßt. Sie zu erwähnen ist aber außerordentlich bedeutsam, weil zunehmend Kinderund Jugendliche mit schweren seelischen Problematiken bekannt werden. Einige Experten sprechen davon, daß 15   % bis 20   % psychische Probleme haben. Der Kinderschutzbund spricht davon, daß die körperliche und seelische Mißhandlung sowie die sexuelle Ausbeutung von Kindern zusammengenommen sowie die Vernachlässigung pro Jahr mehrere hunderttausend Kinder betreffen.»
    Walter Wilken machte mich auf einen Artikel aufmerksam, «Geht’s nicht ohne Klaps und Prügel?», der in der Zeitschrift
Eltern
(Nr.   8, 1988) erschien. Dort heißt es unter anderem:
    «Auffällig ist auch etwas anderes: fast ein Drittel aller Kinder kriegt die harte Hand schon vor dem zweiten Geburtstag zu spüren. Bis zum fünften Lebensjahr ist schon jedes zweite Kind mit Prügeln und Klapsen vertraut. Das stimmt nachdenklich. Denn ein Kind kann gar nichts mit dieser Art Erziehung anfangen. Es empfindet sie im Extremfall als radikale Abwendung, körperlichen und seelischen Schmerz. Lerneffekte, die sich viele Eltern von Klapsen auf die Finger oder von Ohrfeigen erhoffen, sind dagegen nicht zu erwarten. Schlagen als Erziehungsmittel ist fragwürdig genug; es wird noch fragwürdiger, wenn es zur Dauereinrichtung wird.»
    Am 25.   April 1990 veröffentlichte der in Wien geborene amerikanische Psychoanalytiker und Psychiater Dr. med. Leopold Bellak in
The New York Times
einen kurzen Beitrag. Darin erzählt er von einer wissenschaftlichen Untersuchung, die er fast zwanzig Jahre früher unternahm, nachdem er beobachtet hatte, wie unterschiedlich dänische, deutsche und italienische Eltern mit ihren Kindern umgingen. Er betraute mit seiner Untersuchung jeweils zwei ihm empfohlene Psychologen in Kopenhagen, Frankfurt und Mailand, ohne sie aufzuklären, worum es wirklich ging. «Wir suchten Kinderspielplätze aus, die nach ihrem sozioökonomischen Status möglichst vergleichbar waren, dabei diente uns als Maßstab das Niveau der Wohnungsmieten in den jeweiligen Einzugsgebieten. Jeder Mitarbeitergruppe gab ich den Auftrag, halbstundenweise zu beobachten, was sich auf den Spielplätzenereignete und ihre Beobachtungen an Ort und Stelle umgehend mit dem Tonbandgerät festzuhalten.»
    Das Ergebnis: die dänischen und italienischen Eltern begingen keine aggressiven Handlungen gegen Kinder, während 73   Aggressionstaten von seiten der deutschen Eltern registriert wurden. Die deutschen Kinder begingen 158 aggressive Akte gegen andere Kinder, die italienischen 48 und die dänischen 20. «Die mit

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