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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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für mich war, kannst Du Dir als Freund sicher vorstellen. Würde ich hier bleiben, ohne Hoffnung, ohne Hilfe, weißt Du genau, was ich tun würde. Ich würde mich töten. Sollte sich in Zukunft nichts zum Besseren wenden, steht diese Konsequenz immer noch zur Debatte. Ich beziehe mich, auch wenn es Dir nicht gefällt, ausdrücklich auf DEIN Buch.
    Den schlichten Vorwurf, den ich machte, bleibt bestehen. Ob nach fünf oder zehn Jahren, ich würde stets sagen müssen: ich habe in Eickelborn mit 100%iger Hilfe gerechnet, und ich bin enttäuscht aus Eickelborn fortgegangen.
    1000   Grüße von Deinem besten Freund.
    Jürgen
    ***
     
     
    4771   Eickelborn, den 30/​7/​73
     
    Vielen, vielen Dank für Deinen langen lieben Brief, über den ich mich wohl weit mehr gefreut habe als über manchen anderen. Ein großer Trost, eine große Hilfe (es berührte mich ganz besonders)war der Satz, daß es doch recht viele Menschen gibt (Eltern, Du, Tante, Gisela usw.), die mir von ganzem Herzen helfen wollen, dabei sogar einige, die mich gernhaben, ja lieben. Nicht, daß ich es nicht schon gewußt hätte. Aber ab und zu muß man es einmal hören, es ist emotional einfach notwendig, lebensnotwendig.
    Wieder einmal (Du weißt, daß mich das jedesmal total fertig macht) hat eine Zeit begonnen, von der ich hoffte, sie gäbe es nie mehr. Ich sitze lediglich meine Zeit ab, mehr ist es hier nicht mehr. So war es in Köln, in Düsseldorf, in Bochum, in Anrath, usw., usw. Ohne zu wissen, was dann wirklich kam. Das ist das Ärgste an allem. Es trifft ja jetzt wieder zu.
    Ich danke Dir, old friend, für Deine präzisen Auskünfte über meine präzisen Fragen. Du hast etliches nicht genau beantwortet, weil meine Fragen einfach zu früh gestellt wurden. A propos freudige Nachrichten: Gisela würde mir auch nach Hamburg nachziehen. Mein Freund Paule würde relativ leicht mich besuchen können, und meine Eltern würden einen Weg finden, mich doch besuchen zu können, und Gisela könnte recht oft kommen. Nur mit Maria, meiner Lieblingstante, würde es schwer, sehr schwer   …
    Ich werde Gisela, Deinem Wunsch entsprechend, verständigen, wie sie Dich kennenlernen kann, alter Freund.
    So, alter Freund, nun muß ich für heute langsam wieder schließen. Übrigens: Bald wird meine Verlobte mich besuchen.
    Bis zum nächsten Mal also 1000 liebe Grüße von Deinem alten NOBODY CHILD
    Jürgen
    ***

20  Briefe XI
    Love has no position,
    Love’s a way of living,
    One kind of relation
    Possible between
    Any things or persons
    Given one condition,
    The one sine qua non
    Being mutual need.
    W.   H.   Auden
     
    [Eine Postkarte.]
     
     
    4771   Eickelborn, 3/​8/​73
     
    Gestern hat Prof.   Dr.   Rasch mich besucht. Er war der Ansicht, nach Ablauf des Gespräches, daß mein Persönlichkeitsbild sich, von 71 an gedacht, verändert, ich selber, von damals aus, wie gesagt, «einen großen Schritt nach vorwärts» getan habe. Ich weiß nicht, ob es Deine oder Teubers Ansicht ist, aber ich weiß, daß ein Mann wie Rasch (er hatte mich ja kaum noch gesehen), das beurteilen kann. Darüber habe ich mich am meisten gefreut. Wichtigstes: Rasch versucht schon einige Zeit vergeblich, Dich zu erreichen. Akut wird die Sache mit der NAMENSRÜCKFÜHRUNG, wirklich akut. Ob Dr.   Schneller oder Dr.   Teuber mitmachen? Rasch will sich «energisch bemühen», wie er sagt.
    ***
    [Dieser Brief, der drei Schriftstücke enthielt, erreichte mich als Hausgast bei dem prominenten amerikanischen Psychoanalytiker Ralph Greenson in Santa Monica bei Los Angeles, mit dem ich Jürgens Situation natürlich besprach. Eine unglückliche Beziehung in Berlin hatte mich zu dieser Zeit sehr mitgenommen.Die Aussichten verbesserten sich, daß es mit einer psychoanalytischen Behandlung für Jürgen in Hamburg endlich klappen würde.]
     
     
    Eickelborn, den 4.   9.   1973
     
    … Ich habe kein richtiges Papier, nur zwei Luftpostumschläge, kaum Briefmarken, usw. Aber einen langen Brief will ich trotzdem daraus machen. Setz mal Deine Lupe auf.
    Der irre Hochzeitstermin kommt daher, daß Gisela und ich eine EIN- bis Anderthalb-jährige Verlobungszeit ausgemacht haben!
    Ich bin etwas traurig, lieber Paule, daß Du solche Schmerzen ob der Verliebtheit hast. Ich weiß, wie weh das tut. Schließlich bin ich von meiner Gisela fast täglich entfernt. Das macht arge Schmerzen. Ich kann mir sehr gut Deine Pein vorstellen, und es ist nur gut, daß Du Dir sagst: unerwidert – also Schluß,

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