Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders
Tagen» wollte er sich entscheiden. Er machte weder die Tests, noch entschied er sich; er ließ mich einfach hängen.
Über die psychologische Behandlung von Dr. Teuber brauchst Du keine Fragen mehr zu stellen. Es ist jetzt fast Wochen her seit dem letzten Mal; ich als Patient empfinde das Vertrauensverhältnis nicht mehr und betrachte logischerweise die Behandlung als beendet. Mit solchen Pausen kann keine Therapie geführt werden. Ich bin mir keiner Schuld bewußt und habe keine Ahnung, was so Schreckliches ich falsch gemacht haben könnte. Es ist mir auch nicht gesagt worden.
Ich möchte Dich aber dringend bitten, alter Freund, Dich mit unserem Gutachter Prof. Dr. RASCH in Verbindung zu setzen, und ihm die Not, die Probleme, zu schildern. Frage ihn doch bitte, ob er sich gegebenenfalls für mich einsetzen würde. ZEIGE IHM BITTE AUCH DIESEN BRIEF …
So, lieber Freund, nun muß ich für heute aber langsam schließen.
Viele Grüße für heute von Deinem poor pig
Jürgen
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4771 Eickelborn, den 11. 4. 1973
Sehr geehrter Freund Paule.
Diese Anrede konnte ich mir nicht verkneifen, weil Dein letzter Brief mich doch betroffen gemacht hat. Zuerst laß mich einige Deiner Fragen beantworten. Zum Interview: Du sagst, ich solle Dr. Norda nicht Unrecht tun. Ich denke nicht daran, ihm Unrecht zu tun. Er hat damals ein Interview gegeben, einer westfälischen Zeitung, und dpa hat es später übernommen. Sein gutes Recht war das nicht. Schließlich hatte er mich bis dahin weder gesehen noch gesprochen. Ich fand und finde das nicht richtig, in einer Anstalt, in der man vor der Presse so zurückschreckt.
Sei gegrüßt bis demnächst, alter Paule, von deinem PRISONER
Jürgen
***
Eickelborn, 3. 5. 1973
Vielen Dank für die Ankündigung Deines Besuches. Da wir uns brieflich nichts mehr zu sagen haben, da ich mich nicht für die Analyse entscheide, kann ich Dir nicht mehr schreiben, was auch? Das Hauptthema fehlt, ergo bleibt nichts zu schreiben. Was soll ich schreiben? Das Wetter ist gut, die Sonne scheint, eine Mauer ist gezogen worden, nächste Woche werden alle Triebtäter wegen Mangel an Menschenähnlichkeit hingerichtet, heute habe ich mir den Kopf gewaschen, gestern war Kirchgang, heute abend sind um 20.00 Nachrichten, zum Frisör müßte ich, meine Eltern kommen Sonntag, gerade habe ich meinen Bleistift gespitzt, usw., usw. Es ist wirklich so, für echten Briefverkehr reichen unsere Themen nicht mehr. Darum unterlassen wir es. Okay? AufDeinen Besuch freue ich mich sowieso sehr, und trotzdem sehr. Gut, wenn Du mit Dr. Teuber sprichst. Die Behandlung ist von mir unterbrochen worden, da ich zu lange auf der Aufnahmestation bin. Diese Zeitspanne entspricht meinem eigenen Urteilsvermögen. Es gibt hier andere, FÖRDERNDE Häuser, wo ich genausogut verwahrt bin.
So, lieber Freund, zum Abschluß die Hoffnung, daß Du trotzdem stets mein bester Freund sein willst.
***
[Von dem hier erwähnten Besuch bei Jürgen habe ich noch in Erinnerung lediglich ein allgemeines, wenig ergiebiges Gespräch mit Dr. Teuber.]
4771 EICKELBORN, den 31/5/73
… Hoffentlich, alter Freund, hast Du beim letzten Besuch gemerkt, daß ich nicht solcher Anti-Analytiker bin, wie Du glaubst. Aber ein weiterer Grund hat sich ergeben, der die [Psychoanalyse] praktisch unmöglich macht: dergleichen muß privat bezahlt werden, und meine Eltern sind nach 40 000 für Möller, 50 000 für Bossi, 25 000, die ich damals selber stahl, vollkommen am Ende. Was ich auch Rasch schrieb: das bedeutet wohl das Ende dieser Möglichkeit. Anderer Ansicht?
Vielleicht hätte ich es als erstes schreiben sollen: ich habe meinen Entschluß, mich nicht psychiatrisch behandeln zu lassen (Gesprächs-Therapie) brieflich zurückgenommen. Erstens habe ich eingesehen, daß mein Verhalten völlig falsch war. Weiter habe ich das Ungewitter, das von allen Seiten (Dir, Tante Maria, meine Eltern usw.) auf mich einstürmte, einfach nicht ausgehalten. Zur Zeit warte ich darauf, daß unser Arzt meine Entscheidung annimmt und mich wieder aus dem Schrank holt. Ich nehme an, lieber Paul, es freut Dich, das zu hören. Herr Eibl [sic] ist seit dem 18. aus seinem Urlaub zurück. Ich hatte noch keinen Kontakt mit ihm.
So, alter Kumpel, für heute wäre ich damit am Ende, undwarte auf einen netten Brief von Dir. Nächste Woche kommen mich evtl. Maria und Gisela besuchen. Sei also bis zum nächsten
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