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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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ausgehen? Die Mutter hat ihn möglicherweise etwas verzogen, aber ihn mit Liebe und Güte großgezogen. Die von dem Vertreter der Jugendgerichtshilfe hier vorgetragenen Ansichten teile ich nicht.»
    Natürlich hat das Gericht Jürgen Bartsch als voll zurechnungsfähigen Erwachsenen betrachtet und ihn zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt; er hat sogar nicht nur einmal, sondern fünfmal «lebenslänglich» bekommen. Sein Freund Viktor erhielt nach dem alten § 175 wegen Sittlichkeitsvergehens und gewerblicher Unzucht eine Haftstrafe von zehn Monaten; er verließ das Ruhrgebiet und zog nach Bayern. Detlef Düren wurde auch 1967 wegen Verstoßes gegen den § 175 und gewerbsmäßiger Unzucht verurteilt.
    In seiner atemberaubenden Urteilsbegründung sagte der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Dr.   Walter Wülfing, neunundfünfzig Jahre alt und Vater von zwei Kindern: «Den Eltern ist vorgeworfen worden, daß sie sich besser hätten um ihn kümmern müssen. Das sind reine Spekulationen. Es sind anständige Handwerker-Eheleute, die im tiefsten Elend dem Angeklagten noch Zuneigung entgegenbringen. Da hat es sich nicht nur um die Adoption eines ‹Kronprinzen› gehandelt. Die Dinge, die das Jugendamt hier entwickelt hat, kann die Kammer nicht als richtig ansehen.» Punkt – aus.
     
    Während des Prozesses verlautete, Jürgen Bartsch habe ganz am Anfang in der Untersuchungshaft Selbstmord begehen wollendurch Zerschneiden der Pulsadern mit einer Scherbe, die er aus der Zellentoilette herausbrechen wollte. Obwohl die Wächter seine Zelle alle zehn Minuten kontrollierten, gelang es ihm in den Zwischenzeiten, einige Selbstmordbriefe langsam und mühselig mit einer Schraube in die Wand zu ritzen. Man könnte über diese Briefe allein eine ziemlich umfangreiche Analyse schreiben. Ich gebe sie hier in der Reihenfolge, wie Jürgen sie schrieb (wie er mir in seinem Brief vom 1.   Mai 1968 mitteilte). Den ersten Brief richtete er an sein fünftes Opfer, Peter Frese:
     
    Ernst Peter Freese [sic]!
    Verzeih mir bitte, wenn ich es wage, Dich um Verzeihung zu bitten! Du wusstest am 18.   Juni nicht, ob Du Deine Eltern je wiedersehen würdest! Ich hätte meine Eltern auch so gerne noch einmal gesehen! Doch ich weiss, daß ich kein Recht dazu habe! Glaub mir, ich weiss genau, was ich Dir und den 4   Kindern angetan habe.
    Und ich weiss genau, wie Du gelitten hast! Ich erfuhr, dass Du die 16   000   DM [Belohnung] bekommen hast. Meine ehrliche Meinung ist, dass Du sie verdient hast. Trotzdem solltest Du die 1000   DM zurückgeben, und evtl. noch etwas dazu tun, die GRASSMANNS sind arm und haben selber kein Geld! Ich weiss, wo sie wohnen, da wohnen keine reichen Leute!
    Kannst Du mir verzeihen Peter? Ich wünsche es mir doch so sehr auch wenn ich es nicht mehr hören kann! Ich kann Dich verstehen, wenn Du sagst: Es war zu schlimm, ich kann nicht. Aber glaub mir, Peter, es würde mir sehr, sehr viel bedeuten!
    Ich hatte Dich nämlich damals schon allen Ernstes sehr lieb gewonnen. Die Tatsache, daß ich Dich trotzdem getötet hätte, mag ein Beweis sein, wie stark meine Neigung mich selbst in der Gewalt hatte!
     
    Etwas rechts neben diesen Zeilen (zwei Pfeile deuten dorthin):
     
    Und nochmals!: Peter, Bitte, verzeih!
     
    Am weitesten nach links, vom Zellenfenster gesehen:
     
    Liebe Eltern (Der Kinder)
    Ich habe Euch das genommen, was Euch auf Erden am Liebsten war. Es ist bestimmt von mir nicht zu verantworten, wenn ich Euch bitte: Verzeiht!
    Ich habe doch so bereut! Tröstet es Euch nicht etwas, wenn ich sage, daß ich nicht imstande war die letzten Weihnachten oder sonst ein Fest zu feiern! Mit Recht, natürlich! Und trotzdem hast Du weitergemacht? Ja und ich hätte nie aufhören können Aber wahrscheinlich hätten meine Nerven nicht mehr lange mitgemacht!
    Habt bitte ein wenig Verstehen und Verzeihen für mich! Bitte! Bitte
    Noch eins!:
    In meinem ganzen Leben war ich nie auch nur eine Sekunde ungetrübt froh oder glücklich! Weil ich immer wußte wie ich war und selbst nie dagegen ankam!
     
    Rechts neben dem Schreiben an Peter Frese:
     
    Liebe Eltern (meine)
    Nehmt es bitte nicht so schwer und macht ja keine Dummheiten. Das bin ich nämlich nicht wert!
    Zwanzig Jahre eures Lebens habe ich Euch gestohlen. Ihr habt keine Freude (ich infolge meiner Veranlagung allerdings auch nicht) an mir gehabt!
    Glaubt mir, niemand bereut mehr als ich, doch sehe ich keinen Ausweg mehr, da diese «Krankheit» sich auch hier nicht

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