Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor

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die Aggression stets mit Furcht verbunden (u. mit Zorn).

    70. Wenn Dir mal danach zumute gewesen ist, aggressiv zu sein, hast Du es unterdrückt? Was ist dann passiert? Hast Du die Aggression erfolgreich unterdrückt, oder ist es später, in eine andere Richtung, mit einem anderen Objekt herausgekommen?

    Natürlich habe ich meine Aggression meist unterdrückt, sie wurde oft von der Furcht bezwungen. Dann sah ich immer wie in Leuchtschrift das Wort «Feigling», «Memme» vor mir und hätte mir am liebsten selbst ins Gesicht gespuckt. Ein verdammt niederschmetterndes Gefühl.
    Auf Ihren nächsten Satz weiß ich nichts zu sagen, zumindest sehe ich nichts Offensichtliches, und nur vermuten ins Blaue hinein, das will ich nicht. Das kann ja auch, wie so oft, derjenige selber kaum beurteilen.

    71. Hast Du mal Deine Aggression auf ein Tier oder auf ein unbeseeltes Objekt losgelassen? Mit welchem emotionalen Ergebnis? Was war Deine spätere Reaktion darauf?

    Nur an einmal kann ich mich genau erinnern: Als 4 – 5jähriger zu Urlaub bei meiner Tante in Neuß hatte ich, ich weiß nicht mehr worüber, eine schreckliche Wut. Meine Tante sagte etwas sehr Kluges: «Hier hast Du einen Hammer, da kannst Du draußen auf die Treppe schlagen und Dich austoben.» Das tat ich, ich schlug in wilder Wut mit dem Hammer auf der Treppe herum. Dann war es gut, ich war friedlich und ganz toll erleichtert. Ich kann Derartiges nicht definieren und analysieren, aber ich glaube, daß meine Tante instinktiv sehr, sehr klug gehandelt hat.

    72. Hast Du mal gleichzeitig Unsicherheit und Aggression gespürt?

    Oft, man hat das als der ewig Schwache ja sehr oft. Immer dann, wenn man sich wehren müßte. Da war zuerst die Aggression, dann die Unsicherheit, die fast immer die Aggression zurückdrängte. Das Ergebnis ist furchtbare Unzufriedenheit mit sich selbst.

    73. Was ist die Beziehung zwischen Aggression und Feindseligkeit? Gehören sie immer, manchmal oder nie zusammen?

    Ich glaube nicht, daß sie immer zusammengehören. Es gibt doch sicher momentane Aggression, kurze, die einem sogar, wenn sie geschehen oder befriedigt ist, leid tun kann. Allerdings ist natürlich bei Aggression in den meisten Fällen Feindschaft dabei, dann kann es da wohl eine Identifikation geben.

    74. In welchen verschiedenen Weisen hast Du Aggression gezeigt?

    Überhaupt keine, soweit ich weiß, die von mir selbst ausgegangen ist, als Selbst-Anstiftung sozusagen. (Die Sexualität nehme ich wieder aus).

    75. Was hältst Du für den Zweck der Aggression?

    Da sehe ich zwei Gründe:
    1.) Um Wut und Zorn und teilweise auch Bösartigkeit zu befriedigen und abzureagieren.
    2.) Um eigene (oft unbewußte) Unsicherheit abzureagieren.

    F. Schuld

    76. Beschreibe eine Situation, in der Du Dich schuldig fühltest.

    Als ich als Junge die Schule mal geschwänzt habe, da habe ich mich die erste Viertelstunde prima gefühlt, aber dann, als ich allein durch die Straßen strich, da wurde es mir schon komisch und flau zumute. Dann vollends schuldig habe ich mich gefühlt, als ich in einem Geschäft meine Mutter einkaufen sah, es war die Reinigung «Edelweiß» auf der Hauptstraße in Essen-Rüttenscheid. Da war ein Schuldgefühl und ich habe mich überhaupt geärgert, weil ich plötzlich einsah, daß das Ganze keinen eigentlichen Sinn hatte. Meine Schuldgefühle wurde ich am nächsten Tag los, als ich in der Schule Prügel bekam, ich fiel nämlich auf.

    77. Wann war das erste Mal, wo Du Dich schuldig fühltest?

    An das erste Mal, wo ich mich erinnern kann, das war als 7- oder 8jähriger, wo ich damals aus dem Portemonnaie meiner Oma mehrmals Markstücke stahl, um sie dem oder den Stärksten in der Klasse zu geben, damit es nicht soviel Hohn und Schläge setzte. Die kauften sich da Zigaretten von und rauchten sie heimlich. Dafür «beschützten» sie mich, vor Anderen und vor sichselbst. Ich hatte große Schuldgefühle, ich kam mir als Gewohnheitsverbrecher vor. Meine Scham wurde noch verstärkt dadurch, daß meine Oma immer so lieb zu mir war und außerdem war (und bin) ich sicher, daß sie es merkte, daß ich das Geld nahm. Sie war oft sehr traurig direkt hinterher, aber sie hat nie etwas gesagt. Das war eine ganz scheußliche Situation, aber damals war ich so furchtsam den anderen gegenüber, daß ich sie, ich gebe es zu, in Kauf genommen habe.

    78. In welcher Art Situation neigst Du am