Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
im Sinn von Haare also … Statt her, sozusagen. Von gewesene, zeitlich. „Scheiße“, das kenne er, entfährt es da dem ob soviel Huldigung höchst amüsierten Herrn Zöller. Er, beziehungsweise, seine Gattin beziehungsweise deren Freundin habe auch immer verstanden „Got my first real sex dream …“, im Sinne von sex dream, wo doch aber der unschuldige Bryan Adams im „Summer of sixty nine“ nur sang „got my first real six string“, im Sinne von Gitarre, elektrischer. Verständnisinniges Lächeln umflort die Runde. Na, die Gemeinderats-sitzung werde schließlich auch schnell rum gehen, verfügt der OB das Thema, schließlich müssen ja alle dann gleich zu BAP.
Beschwingt schlurft die Runde aus dem hohen Hause, jaja, es hätte schlimmer kommen können, es gibt trockenere Empfänge bei der Politik. Aber ob die Rheinkilometer nun von der Brücke, die die auf der Schweizer Seite gelegene Konstanzer Altstadt mit dem nördlichen Rheinufer verbindet, gezählt werden, oder schon ganz hoch droben im Schweizer Fels, das kann der OB Wolfgang Niedecken nun nicht sagen. Schade, wo der doch immer genau wissen will, wie viel Rhein zwischen seinem momentanen Aufenthaltsort und der Kölner Südstadt liegt …
Das Zeltfestival-Gelände liegt direkt an der Schweizer Grenze, nicht einmal einen halben Kilometer vom Konstanzer Hauptbahnhof entfernt. Die Eidgenossen haben noch was davon, und auf der anderen Seite der Konstanzer Bucht freuen sich die Bewohner einer Seniorenresidenz schon seit zwei Tagen über die Beschallung. Das Zelt ist ausverkauft, knapp 2000 Fans werden abends in der südlichsten deutschen Stadt am Rhein BAP abfeiern. Im Backstage-Bereich passiert nichts wirklich Aufregendes. Die Herren Musiker schauen in ihre Spinde, die den Charme einer Bundeswehr-Rekrutenstube verbreiten, und in zwei rollbare Metallschränke ä drei Abteilungen aufgeteilt sind. Sechs Stück für fünf Musiker? Richtig: Im sechsten steht, ordentlich beschriftet „dä Oleander“ (aus dem Song „Ich wünsch mir, du wöhrs he“) in seiner ganzen Pracht. Ein Geschenk von Fans. Während des Konzerts wacht er in der Nähe des Monitormischpults, dann kommt er wieder in seinen Spind.
Jeder ist mehr oder weniger mit sich selbst beschäftigt in den letzten Minuten vorm Auftritt. Ein paar Witze machen die Runde. Helmut erteilt sich selbst eine Lektion in Kölscher Grammatik und Wortbildung. „Ich kann jo nur em Setze setze un em Stonn stonn“ murmelt er mal lauter, mal leiser vor sich hin. Für einen Ostfriesen klingt es recht akzentfrei. Ja, schon okay, aber Kölsch zu singen, öffentlich und außerhalb der zweiten Stimme zum Refrain, das käme ihm dann doch nicht in den Sinn. „Ja der Klabautermann, ja der Klabautermann …“ singt derweil Michael Nass immer wieder, aber eher introvertiert denn als Darbietung fürs wuselnde und geschäftige Backstage-Publikum. Der Trommler ist derweil ein wandelndes Bällchen nervöser Bewegungsenergie und trommelt auf allem herum, was ihm unter die Finger kommt. Noch fünf Minuten. Zeit für die Huldigung. Die Band, manchmal auch noch ein paar Gäste, versammeln sich zu diesem heiligen Ritual um den BAP-Altar, der immer seinen Platz direkt neben dem Bühnenaufgang hat. Wolfgang Niedecken schenkt den Grappa aus, die Huldigung geht an verdiente Mitarbeiter der Bewegung (tagesaktuell), an die 12.000 Jungfrauen und den Wettergott (tagesaktuell) und abschließend und entscheidend (immer) an die „Heiligen Drei Könige“, die „three Wymans“, als da wären Keith Richards, Ron Wood und eben Bob Dylan. Die Herren traten beim „Live Aid“-Konzert 1985 mit extremer Schlagseite und unkoordiniert vors weltweite Fernseh-Publikum. Wolfgang Niedecken hatte den Auftritt damals als Gegenthese zur Glattheit und Perfektion der achtziger Jahre begriffen. In diesem Sinne heben alle ihre Gläser, außer Jürgen. „Kein Alkohol vor Ende der regulären Spielzeit.“ Bis dahin sind es noch rund zwei Stunden. Er hat sein eigenes Ritual: Auf seinen Grappa kommt ein formschöner Stöpsel namens „Hulda“, damit dem Grappa während des Konzerts kein Unglück zustößt. Dann stellt er den Grappa mit aufgestöpselter Hulda wieder artig vor den Altar und das Intro-Tape startet.
20 Uhr. Die Band ist auf der Bühne. Countdown fürs Jubiläumsprogramm der
Greatest Hits
-Tour. Obwohl eine ganze Weile Konzertpause war, könnte man nicht gerade behaupten, dass Jürgen den Set kräftesparend angeht. Die Kondition muss eben reichen
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