Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
allererstes von Wolfgang Niedecken wissen, wo genau er stand. John Kay musste das wissen, denn er war nahezu blind. Also Sicherheitsabstand, denn der Manager sagte auch, dass John mit dem Mikroständer „jonglierte“. Der genau getimte Set sollte aus „Born To Be Wild“, einer sehr kurzen Version von „Verdamp lang her“ und Dylans „Like A Rolling Stone“ bestehen. Bei Letzterem hätte sich angeboten, Kay mitsingen zu lassen. „I know the song, but I don’t think I really know the lyrics exactly.“ Den Hinweis auf den Teleprompter kommentierte er souverän mit „That doesn’t help. You would have to write the lyrics on the floor in braille, and I’d have to sing barefoot.“ Nicht nur Jürgen war beeindruckt von der Souveränität, mit der sich Kay über seine Behinderung hinwegsetzte. Kay wollte ihm erklären, wie „Born to be wild“ funktioniert, aber Jürgen konnte ihn beruhigen. „This song has travelled with me through my whole life.“ Ab dem Moment waren BAP seine Band, er blieb auch den ganzen Abend am Tisch der Kölner.
JÜRGEN ZÖLLER … SELBST: Wir verfolgten das Geschehen in der Halle über Monitor, wir waren an diesem Abend die erste laute Rockband, die live gespielt hat, der Saal hat getobt. Es war vorher alles so Fernsehsendungsatmosphäre, und auch entsprechender Applaus, aber als wir gespielt haben, war es echter Live-Applaus. Rick Parfitt von Status Quo kam mir entgegen, hat mir den Arm um die Schulter gelegt und mich fest an sich gedrückt und gesagt „Yeah.“ Das war alles. So ein fettes, englisches „Yeah“. Und Gary Brooker hat erzählt, er hätte ja auch gerne mit uns gespielt, das würde ja richtig rocken. Jon Lord ging es wohl ähnlich, auf einmal wurde man von den eigenen Helden geadelt. Bill Wyman war auch da, und Wolfgang zeigte ihm den Altar. Erst hatten wir das Ding hinter der Bühne stehen, später im Catering-Bereich und da stand dann auch Bill Wyman, der selbst ja auch ein Sammler ist, der mit dem Auto von Südfrankreich nach Hannover gekommen war, nur aus Bock, und auch wieder zurück. Der ist also erst mal zu seinem Auto gerannt, hat seine Videokamera geholt und das erst mal abgefilmt. Wolfgang erklärte Bill die Heiligen Drei Könige: „The three wise men …“ „Ah the three Wymans“, unkte der zurück. Jon Lord war genauso begeistert – in dem Altar ist alles drin, was unsere gemeinsame Geschichte abbildet, von unserer Kindheit bis zur Gegenwart. Früher haben wir ja keinerlei Anerkennung bekommen von ausländischen Kollegen. Germany, das war ein Markt, da fährt man hin und spielt da, verkauft Platten. Keiner hat sich dafür interessiert, was hier musikalisch passiert. Mir war das ein innerer Vorbeimarsch, dass ich da als alter Fuchs mit einem Gary Brooker an der Bar stehe, und der mir beim Auschecken erzählt: „I made a big mistake last night. I met Bonnie Tyler at the bar, and I had three or four of these grappas. I don’t think I’m gonna have one now“
34
Alte Songs neu erfunden: 3 x 10 Jahre
Jürgen war zunächst eher skeptisch, als 2005 zu den Aufnahmen des Jubiläumsalbums
Dreimal 10 Jahre
geblasen wurde. Erstens war ein externer Produzent bestellt worden, Wolfgang Stach. Was wollte der, was konnte der? Klar, die EMI hatte solange daraufhin argumentiert, bis man zähneknirschend zugestimmt hatte, aber würde es funktionieren? Es stellte sich heraus, dass er es drauf hatte. Zuerst war Jürgen befremdet, dass man im Halbkreis stand und einem, der da saß, Nummern wie „Verdamp lang her“ vorspielen sollte. Jürgen ertappte sich bei leicht unfreundlichen Gedanken wie „Moment mal, was ist denn jetzt das? Wir spielen seit 30 Jahren diese Nummer!“ Es brauchte eine Weile, bis sich der Umgangston zwischen Band und Produzent justiert hatte. Die Band musste lernen, dass Stach alias Stackman sie nicht verbiegen wollte, und er musste merken, dass er mit BAP anders kommunizieren musste als mit jungen Bands wie den „Guano Apes“, die er schon erfolgreich produziert hatte. Zum anderen hatten alle den Gedanken, nach
Tonfilm
und
Övverall
schon wieder ein Album mit alten Stücken, ob das nicht nach Ausverkauf aussehen könnte? Aber der Gedanke verflog schnell, als das Prinzip klar war: Die alten Songs so aufnehmen, als hätten sie sie eben erst erfunden.
35
On Tour
Am 14. Januar 2006 startet die Jubiläumstour mit zwei Konzerten in der Kölnarena. Am 25. März jubeln mal wieder rund 5000 Karlsruher „ihrem Jürgen“ zu. Und
Weitere Kostenlose Bücher