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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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Regio-Express von Karlsruhe nach Konstanz, um 14 Uhr 16 wird er am Konstanzer Hauptbahnhof aussteigen, um 20 Uhr wird die Band beim Konstanzer „Zeltival“ auf der Bühne stehen. Die Anreise ist wie eine Sternfahrt organisiert: Während der Trommler im oberen Stockwerk des Waggons die Aussicht auf den regnerischen Schwarzwald genießt, hat Holger (Fahrer und Teleprompter-Operator) schon Micha (Keyboards), Anne (Geige) und Carsten (Backline, Stage Right) am Züricher Flughafen abgeholt. Die Drei waren um 9.05 vom Berliner Flughafen Tegel gestartet. Holger selbst hatte (wie die gesamte Technik-Crew) schon eine Nacht in Konstanz verbracht, und auch schon am Vortag die Saiten-Fraktion Helmut und Werner mit dem Bus an den Bodensee chauffiert. Didi war mit dem Boss als dessen persönlicher Chauffeur am Abend zuvor im 160 Kilometer entfernten Irsee „im Auftrag des Meisters“ Bob Dylan unterwegs gewesen.
    „Das ist ein prima Hotel, vier Sterne, da waren wir schon mal. Da hörst du nichts vom Bahnhof, obwohl es direkt gegenüber liegt.“ Mal sehen. Tourneealltag produziert Tourneealltagsgeschichten, die tagelang weitererzählt werden, und mit jedem Erzählen besser werden. Wie durch Kristallisation. Bevor sich die Band gegen 15 Uhr im Hotelfoyer versammelt, hat Jürgen schon eine produziert, und ihr Name ist: „Was soll ich mit dem blöden Geräusch in meinem Zimmer?“ Denn kaum hat er den Raum betreten, fällt ihm ein sonores, fieses Brummen auf. Nein, der Bahnhof ist es nicht. Ist es der Tinnitus? Das geschulte Musikerohr erkennt: Der ist es nicht, aber es ist dennoch nicht im Stande, die Quelle des Brummens zu orten. Er schreitet den Raum auf und ab und kommt zu dem Schluss, es ist der Raum, der brummt. Also zurück zur Rezeption mit seinem faltenwerfenden „Warum-gibt-es-hier-morgens-in-diesem-verfluchten-Hotel-kein-Müsli-für-einen-verdienten-Trommler-des-Volkes-Gesicht?“, was so ziemlich das Schlimmste an Service-Defizit ist, was ein Hotel ihm antun kann. Sein Zimmer brumme, er könne darin unmöglich länger sein, er verlange ein neues und zwar unverzüglich. Der Rezeptionist, der das Gesicht richtig zu deuten weiß, gibt dem offensichtlich verstörten Trommler sofort den Schlüssel für ein neues, doch auch dieses Zimmer brummt. Tinnitus klingt anders. Also steigt Jürgen wieder in den Aufzug, entschlossen, notfalls den Umbau des Hotels zu verlangen, und muss entgeistert feststellen, dass auch der Aufzug brummt. Ist er jetzt, nach über vier Jahrzehnten Arbeit im Berufsbild Rock’n’Roll, jetzt und hier in dieser beschaulichen südbadischen Stadt, plötzlich verrückt geworden? Und das kurz vorm Empfang im Rathaus? Es ist nicht der Aufzug, sagt ihm nach einigen Sekunden die akustische Beschaffenheit desselben, in dem die Herkunft des Brumm deutlich besser zu orten ist. Es ist der Elektro-Rasierer im Koffer. Jürgen muss dem Rezeptionisten seine Niederlage eingestehen. Der hatte wohl schon geahnt, dass es nicht sein Hotel ist, das brummt, und trägt es mit Gelassenheit.
    Frau Motz (zumindest steht das am Türschild) geleitet die Band ins historische Rathaus zu Konstanz. Herr Frank, der grüne Oberbürgermeister, hat zum Empfang geladen. Nicht jeder der auftretenden „Zeltival“-Künstler bekommt die Ehre, sich ins Goldene Buch der Stadt einzutragen, stellt Helmut Krumminga mit einem schnellen Blick fest: Anna Netrebkowa steht drin, Placido Domingo auch. An denen kommt man nicht vorbei, klar. An BAP natürlich auch nicht, denn hier im Konstanzer Rathaus gibt es offenbar die fraktionsübergreifende Pflicht, BAP-Fan zu sein. Der OB lobt denn auch in wohlgesetzten Worten das Wirken der Band über die Musik hinaus, insbesondere Wolfgang Niedeckens humanitäres Engagement, und schon legen sie los mit ihren eigenen gesammelten Tourtagebüchern, die Damen und Herren Gemeinderäte: In historischer wie in prähistorischer Zeit quasi habe sie selbstverständlich schon, spricht die grüne Fraktionsvorsitzende. Ja, und die Dame von der Linken steht etwas verdruckst und lächelt, war wohl nicht dabei, damals, fühlt sich aber irgendwie. Die mondäne Vertreterin der Christdemokraten hält es eher so allgemein, also in Konstanz, nichtwahr, da habe es ja früher nichts gegeben, aber jetzt, jetzt sogar BAP, ja. Und da sehe man doch. Dann fällt der Grünen noch ein, sie habe oder vielleicht eine Freundin habe früher, damals also in prähistorischer, als sie schon. da habe die jedenfalls immer „Verdammt lang Hair“,

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