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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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schwitzten, stellten sie sich die Mädels beim Abtanzen vor. Daumen hoch bedeutete: das spielen wir beim Auftritt. Daumen runter hieß: passt nicht zu uns. Cookie wusste, wo es lang geht, die anderen brauchten nur zu folgen.
    Zwischen Bad Soden und Königstein war die Hölle los. Es war 1963, ein Vierteljahr lang hatte in diesem Jahr die Nummer Eins der deutschen Single-Hitparade „Junge, komm bald wieder“ von Freddy Quinn beherrscht, dann folgte am 6. April die Ablösung mit Billy Mo’s Hit, der so ging: „Ich kauf mir lieber ’nen Tirolerhut. Der steht mir so gut. Der steht mir so gut. Dann mach ich sonntags abends Blasmusik, immer nur dasselbe Stück …“ Da war Handlungsbedarf für die Kreuzritter des Rock’n’Roll. Ein klappriger alter VW Käfer fuhr die Straße, nein nicht hinunter. Es sei verziehen: Hinauf. Von Bad Soden nach Königstein im Taunus … Dadaah dadam. Nichts mehr würde nach diesem Ereignis so sein, wie es vorher gewesen war. Von Baden Soden nach Königstein sind es fünf Kilometer Steigung, eine harte und beschwerliche Strecke für dieses völlig überladene Fahrzeug. Gitarrenverstärker, Bassanlage, Trommeln, Gitarrensaiten. Die Fahrt war als Triumphzug angelegt, was sonst? Jürgen hatte das Schiebedach aufgekurbelt und guckte raus, er saß auf dem Gitarrenverstärker und rauchte. Ein Mann mit einer Mission. „Gib doch mal die Gitarre her“, rief er Cookie zu. So. Jetzt war es gut, na ja: fast. Es war unbequem und eng, aber wer schön sein wollte, musste leiden, und wer berühmt werden wollte, musste sich eben durchs Schiebedach zwängen. Der Käfer ächzte und stöhnte, Jürgen strahlte und griff Akkorde „Hallo, Rock’n’Roll, wir kommen!“ Hätte ihn jetzt einer am Straßenrand angesprochen, hätte er pfeilgerade geantwortet: „Sprechen Sie mich jetzt nicht an, ich habe eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Kommen sie ins
Café Dörr
nach Königstein, dort werden Sie weitere Informationen über meine Mission erhalten.“ Komischerweise stand da keiner am Straßenrand und winkte ihnen zu, aber die Gears wussten es: Wir sind die Bringer des Rocks und des Rolls, den wir – zugegebenermaßen etwas schlampig verpackt – jetzt bergauf schleppen, sogar von Bad Soden nach Königstein, zu Euch Ahnungslosen. Mensch, wir haben Hits im Programm wie Perlen an einer Kette: „Sweets for my sweet“, „House of the Rising Sun“, „Be Bop a lu la“, „Peter Gunn“. Was sagste jetzt? Wir haben die Kraft der Basstrommel, auf ewig vereint mit dem fetten Pumpen des Basses. Links und rechts davon sitzend die Gitarren mit dem „Twang“. Übrigens, ganz nebenbei: Wir sind tolle Typen, wenn Ihr nur wüsstet. Wir sind auf den sieben Meeren der Leidenschaft gesegelt, wir kennen die Tücken der Liebe, wir wissen den Weg zum Glück. „Wo ist denn hier die Bühne?“ fragte Jürgen fünf Minuten später entgeistert.
    „Hier gibt’s keine Bühne“, sagte der Wirt, und Jürgen dachte, während er seine Trommeln in den Saal im ersten Stock schleppte: Ich hab’ jetzt einen Gig, ich blas’ dich weg. Auch ohne Bühne. Früher waren hier Tanzveranstaltungen, seit einiger Zeit ließ man Beatbands spielen. Im Erdgeschoss lief das ganz normale Café inmitten cremetortenumflorter Kurparkatmosphäre weiter. One, two, three, four … Cookie zählte ein und es ging los. Der Zöller war willig, die Hardware schwach. Jürgen spielte um sein Leben, das morsche Schlagzeug hätte um seines gefürchtet, hätte es denn eins gehabt. Direkt vor dem vibrierenden Spannreifen der Bassdrum stand das Publikum. Was wollte denn der Typ da? Ulli hieß er, Jürgen kannte ihn. Ulli gehörte der Musikerpolizei Hessen Mitte an. Die hatte eine ungeschriebene Dienstvorschrift, in der stand: „Konzerte von Beatbands sind grundsätzlich mit verschränkten Armen zu verfolgen. Dabei ist keine Mine zu verziehen. Im äußersten Notfall kann Beifall durch vorsichtiges Aneinanderführen der Handflächen gespendet werden.“ Glotz nicht so blöd, dachte Jürgen. Ich habe eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Jetzt kommt ein Break. Plogong, und was für einer. Das filigrane Ständermaterial war schon beim Gedanken an den nächsten Wirbel kollabiert. Die Snare Drum fiel Jürgen auf die Füße. Er konnte das Blitzen im Auge des Feindes sehen. Ulli schüttete sich aus vor Lachen. Hoho hoho. Hatte er jetzt nicht noch verschränktere Arme? Jedenfalls grinste er, die Sau. Eigentlich guckte er schon verschränkt. Die Snare fiel noch öfter

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