Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Zoller Selbst
Vom Netzwerk:
runter. Ob der Schädel des Musikerpolizisten sich wohl als Ersatz eignen würde, der ist ja schließlich auf einem festen Ständer montiert? dachte Jürgen kurz, da war der Gig auch schon vorbei.
    Die Welt der Gears – das waren auch die
Drei Linden
in Neuenhain. Ein Kneipensaal, den die Jungs anmieteten. Dann plakatierten sie selbst, gesittet und anständig, wie es sich für die angehenden Stars gehörte. Es war noch nicht die Zeit der großen Plakatschlachten, bei denen der „Überkleber“ kommt, kaum ist die Klebekolonne der Konkurrenz um die Ecke gebogen. Vorsichtig tackerten die Gears an jeden zweiten Baum ein kleines Hinweisplakat, damit auch jeder im Dorf wusste: Es naht die Schreckensherrschaft des Urwalds. Die Trompeten der Unmoral. Der Verfall der Welt according to Merkelbach. Der Leibhaftige stand quasi schon nachts auf unserem Acker und belästigte erst Bäume, dann Menschen. Dann kehrte der Schrecken ein im Wirtshaussaal, fröhlich rockend, und der Wirt sagte gerne: „Zu laut“, und drehte den Strom ab. Mehrfach. It’s a long way to the top if you wanna rock’n’Roll. But such a short way to the Sicherungskasten.
    1965 holten die Gears noch mal zu einem finalen Schlag aus: Zur triumphalen Rückkehr aus der großen weiten Welt. In Neuenhain, in Falkenstein, in Bad Soden, in Königstein hatten sie gespielt. Jetzt wurde es Zeit, den Hillscheidern zu zeigen, wo der Hammer hing. In Hillscheid beim Kronenwirt und in Höhr-Grenzhausen organisierte Jürgen Auftritte. Am 11. Juli 1965 bog eine Autokolonne von der Autobahn bei Montabaur ab, fünf Autos waren es diesmal – vollgestopft mit Instrumenten, Verstärkern, den Jungs mit der Mission und einer ergebenen Fanschar, die sich ihrer kulturellen Aufgabe wohl bewusst war. Sie machten die Warnblinkanlage an und nicht wieder aus, bis sie am Ziel ankamen: Der Garten von Jürgens Tante diente als Campingplatz. Immerhin die mitgebrachten Fans hielten, was sie versprachen, schleppten Verstärker, bauten die Mikros auf, machten die Kasse, und zahlten dann selbst zur Belohnung noch Eintritt. Gegen einen Obolus von 50 Pfennig bekam jeder einen Stempel und durfte in den Saal. Nicht wenige ließen sich Stempel auf Arsch, Hände, Arme, Stirn geben. Vielleicht 100 Leute setzten ein Zeichen für den Rock’n’Roll im Westerwald. Am Ende der Veranstaltung war die gesamte Bühnenbreite mit leeren Bierflaschen dekoriert, sorgfältig nebeneinander. Auf einem Kellnerblock wurde abgerechnet: 202 Deutsche Mark unterm Strich. Da müsste noch mehr drin sein, später. Dachte Jürgen. The Gears allerdings erlebten das Jahr 1966 nicht mehr.

4
Dort wo die Lautsprecher stehen: Frankfurter Nachtleben
     
    Am 27. September 1963 saß Jürgen mitten in seinem persönlichen Paradies und feierte seinen 16. Geburtstag. Das Paradies lag mitten in Frankfurt, stank, war laut und verraucht, aber es war sein Shangri-La. „Was willste denn?“ sagte der Mann hinterm Tresen zu jedem Neuankömmling, das hatte er Jürgen auch mal gefragt. Er sagte es immer so, dass man nicht einfach irgendwas vor sich hinmurmeln konnte. Die Frage kam sehr bestimmt, aber nicht unfreundlich. Respektgebietend eben, aber eher Großer Bruder als Lehrer. Der wollte das schon wirklich wissen, der war hier der Chef. Artur Linnebrügge hieß er, und er war der König Arthur des Zapfhahns. Ein großer schwerer Mann, Klasse Mittelgewichtsboxer und grauslig uralt. Also vielleicht Anfang dreißig damals. Weißes Hemd mit Weste drüber, Jeans, Schnurrbart. Wo hörte Artur auf, wo fingt die Theke an? Artur und seine Theke ergaben zusammen ein unschlagbares Monument des Wirtstums, ein lebendes Denkmal und eine lebende Jukebox mit eingebautem Lexikon obendrein. Das fiel Jürgen aber erst auf den zweiten Blick auf.
Fliegerklause
klang ja auch nicht gerade nach Nabel der Beat-Revolution. Direkt gegenüber vom Hauptbahnhof und neben der Lufthansa lag diese Insel der Seligen. Die
Fliegerklause
war anders als der Rest des Bahnhofsviertels. Sie passte da hin, aber auch wieder nicht. Da ging man hin, bevor man in die Hölle weiterging. Letzte Tankstelle vorm Hades. Die Hölle war dann eine Straße weiter. Mancher überlegte es sich anders und ging nicht in die Hölle, sondern in die
Fliegerklause.
Und blieb dort hängen.
    Zur Straße hin hatte der Laden eine Glasfront, die man im Sommer aufschieben konnte. Wenn die zu war, standen drinnen ziemlich komprimiert sowohl Luft als auch die Menschen. Jürgen schob sich über die enge

Weitere Kostenlose Bücher