Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Zoller Selbst
Vom Netzwerk:
spielten immer ein paar Wochen lang im
Storyville
Frankfurt, dann zogen sie um ins
Storyville
Köln oder umgekehrt. So lohnte sich der Trip für die Bands, Marshall verdiente gut an den Import-Attraktionen, und in Frankfurt kamen Jürgen und seine Kumpels auf ihre Kosten.
    „Biste überhaupt schon 16“, da war sie wieder, diese schöne Frage, diesmal hatte Herr Böhm sie ausgesprochen, als Jürgen zum ersten Mal Einlass begehrte. Herr Böhm saß an der Kasse des
Storyville.
Nach zufriedenstellender Klärung der Altersfrage pflegte Herr Böhm die Jungs und Mädels in die Gute Stube zu bitten. Wenn man ihn erst einmal ein bisschen näher kannte, ahnte man, dass er auch mal ein Auge zugedrückt hätte. Das war kein „Türsteher“, diese eklige Gattung Lebewesen würde erst später erfunden werden. Beim zweiten Besuch hieß es dann schon: „Na, wie geht’s dir so?“ Gut natürlich, denn der Laden war ein Feuchtbiotop des Rock’n’Roll, die logische Fortentwicklung des ausgebeinten Leslie-Cabinets in ordentlich laute Gitarrenverstärker. Da war ein hübsches Mädel namens Maike, immer unsterblich verliebt in irgendwelche Musiker. Sie war nicht die einzige. Da gab es einen türkischen Kellner, den ersten Türken überhaupt, den Jürgen kennen lernte. Und da waren die Bands, die alle zwei oder vier Wochen wechselten. Die meisten spielten die Hits des Tages, manche hatten auch richtig dreckige Rooty Rhythm’n’Blues-Standards im Programm. Und Soul, Motown, den ganzen schwarzen Stoff, der so gut knallte. Marvin Gaye, Impressions, Curtis Mayfield. Andere spielten Zeug von den „Coasters“ oder den „Shirelles“, den amerikanischen Gesangsgruppen aus der Vor-Motown-Zeit. Alles so schön bunt hier. Da musste man sich nicht entscheiden, da ging man einfach nicht mehr weg. Denn merke: „Weg gehn’ nutzt nix!“, wie viele Jahre später der große österreichische Dada-Philosoph Joesi Prokopetz erst als Gesetz festlegen würde. Jürgen schlug Wurzeln und war immer wieder fasziniert von diesen Bands. Obwohl viele Nummern spielten, die vorher schon jemand anders bekannt gemacht hatte. Es war immer wieder eine Sensation, eine Band zu hören, die Songs auf ihre Art neu erfinden konnte. Und das konnten einige.
    Da waren die „Warriors“. Der Sänger Jon Anderson (der später mit „Yes“ für Musik gewordene makrobiotische Salatplatten berühmt werden sollte) klang anders als die anderen Jungs, er sang so hoch wie sonst kaum einer. Eigentlich war er nur als Zweitstimme in die Band seines Bruders Tony eingestiegen, aber er blieb auch als der Bruder ausstieg, und machte sich als Schönsinger beliebt. Die Warriors trauten sich was, das sich sonst keiner traute. Sie spielten „Good Vibrations“ von den Beach Boys. Und vielseitig waren sie, die spielten auch heißen Soul, diese blassen Bürschlein, diese mageren lichtscheuen englischen Bürschlein. Wenn „Hold on I’m Coming“ gegeben wurde, gaben sich die ersten vier Publikumsreihen, Frauenanteil 100 Prozent, hemmungslos den Gitarrenkriegern auf der Bühne hin, und wenn die von der Bühne kamen, dann erst recht.

5
Lernspiele im Backstage-Bereich: Groupies und englische Trommler
     
    Das waren also die legendären Groupies. „Da müsste man doch, da könnte man doch auch mal?“, zerrte es Jürgen und seinen Kumpels gelegentlich an der Zirbeldrüse, aber da war nichts zu machen. Die Damen standen nun mal exklusiv auf Herren von der Insel. Zum Beispiel Puppa. Die pflegte des Nachts nach getaner Arbeit gern mit großem Getöse ins
K 52
zu rauschen, wenn sie wieder angezogen war. Puppa machte sich von Berufs wegen nackich für Geld, gerade um die Ecke in einem Laden in der Moselstraße, und nach Dienst-schluss enterte sie die Bühne im
K 52
und sang „Summertime“ mit einer unglaublichen Stimme. Laut, brutal, und brutal laut. So eine wie Puppa war unerreichbar für die Jungs aus der Gegend. Die ließ sie spüren, dass sie nicht zu den Rockstars der Handelsklasse I gehörten. Auch wenn sie es nicht sagten, man konnte in den abschätzigen Blicken der Damen schon Verderben, Tod, Teufel und hämische Fragen leuchten sehen. Und unausgesprochene Todesurteile wie „Was habt Ihr überhaupt für Klamotten an? Wieso steht Ihr denn da unten, und nicht da oben auf der Bühne, ihr Simpel? Ihr wollt doch Musiker sein. Dann beweist das doch mal!“
    Gut, eine wie Puppa, die ließ Jürgen auch schon mal auf dem Sofa übernachten, wenn der den Zug verpasst hatte und artig fragte.

Weitere Kostenlose Bücher