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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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Beck hatte zwar diese abgedrehte, finstere, missmutig blickende Erscheinung, er erzog seinen Verstärker auch gerne mal durch Fußtritte, wenn der nicht so wollte wie er. Schön, furchterregend. Und auch laut. Man würde solche Yardbirds-Gewaltausbrüche später im Antonioni-Film „Blow Up“ verewigt sehen. Train kept a rollin’ all night long. Aber die Small Faces sind die Lautesten, eindeutig. Klar: All or nothing. Jedes Gitarrensolo eine Achterbahnfahrt nahe am Tinnitus. Jeder Bassdrum-Schlag ein Haken von Karl Mildenberger. Der Boxer, der in dieser Zeit öfter am Zöllerschen Kiosk in Bad Soden Malzbier kaufte, um sich für den WM-Kampf gegen Cassius Clay fit zu machen. Die Schläge, die die Small Faces verteilten, dauern länger, waren aber eindeutig eher aufbauend. Marriot hatte eine Trillerpfeife umhängen, eine richtig laute Schiedsrichterpfeife, mit der er jedes Solo einpfiff. Schon egal, die Ohren des Publikums pfiffen schon seit dem ersten Song. Und in der Pause ging Jürgen zu Steve Marriot und erklärte ihm, dass das wohl ziemlich „great“ sei, was die Small Faces da raushauten, aber auch das verdammt Lauteste, was er bisher in seinem langen, an Lautstärkeerlebnissen nicht gerade armen, 19jährigen Leben gehört hatte. Und Marriot antwortete – ganz der coole Star: „I know how you feel, son.“
    „Neil Landon and the Burnettes“ waren in
Storyville
-Town. Die gingen handfest ab. Neil Landon, ein ehemaliger Schiffszimmermann, hatte die Band 1962 im Fährhafen Folkestone gegründet. Zwar hatten sie nie eine Platte gemacht, aber in den deutschen Beat-Hochburgen schon viele erfolgreiche Engagements gespielt. Sie waren wieder so eine Band, die bei den Mädels aufs Ausschweifendste punkten konnte. Der Gitarrist Noel Redding war ein ebenso hervorragender Sänger wie sein Chef, die Band spielte gut zusammen, das knallte schön, und lustig waren sie obendrein. Immer wieder ging Jürgen gucken, bis er eines Abends ein merkwürdiges Spielchen mitbekam: alle Viertelstunde wurde der Trommler ausgewechselt. Seltsam genug. Seltsamer noch war, dass er die Kerle alle kannte, „die sind ja alle aus Frankfurt“ dachte er irritiert. Jetzt aber. Wenn die da mitspielen durften, dann müsste er jetzt aber doch auch mal … das war doch die Chance! Die man beim Spannreifen packen musste, dass die Bassdrum nur so bummt. Frechheit! Siegt! Dann könnte man doch vielleicht auch Puppa und andere poppige Puppen poppen, evendöll? Haltet ein, unkeusche Gedanken, hier ging es um Wichtigeres, um das Gute, Wahre, Schöne, um den Aufstieg vom Da-Seier zum Mit-Macher, um die Einnahme einer Originaldosis mit Nachbrenner, um alles, also.
    „Hey, what’s going on here“, hörte Jürgen sich in der Pause Noel Redding fragen. „Theres only local guys playing here tonight, what happened to your drummer …?“ Insgeheim hoffte er, Noel würde ihm erklären, der sei geplatzt und käme infolgedessen nie wieder. So ähnlich war es tatsächlich. „Peter, oh, he is in the hospital, back home …“ Mit Blutvergiftung lag er im Krankenhaus in England, Arbeitsunfall: Hatte sich den Finger an einer verrosteten alten Trommel aufgerissen, erzählte Noel. „You’re a drummer?“ Aber natürlich war Jürgen ein Drummer, stand es denn nicht schon in Leuchtschrift auf seiner Stirn? Ein paar Gedanken durchquerten ungeordnet sein Hirn. „Artur Linnebrügges Rockschule, okay, das hab’ ich drauf, das kenn ich alles, die neuen Sachen auch.“ Wirklich? Was soll’s, jetzt Attacke, Angriff, auf die Zwölf, egal was die von ihm wollten. Zurückhaltung ist der Tod. Hier kommt die erste internationale Zöller-Offensive. Und schon saß er da und haute rein, dass die Schwarte wackelte: Kein Wunder, man gab gerade ein kleines „The Who“-Viertelstündchen. Was an den Schlagzeuger die Anforderung stellte, ein gefährlicher Verrückter zu sein. Wenn nicht zwei. „Substitute“ „I can’t explain“, und dann was ganz ganz Neues. Ob das gut gehen konnte? „Any-way, anyhow, anywhere“ war erst gerade veröffentlicht worden. Puh, geschafft, die Daumen gingen hoch, Mister Landon and the Burnettes were deeply impressed. Damit war der internationale Test bestanden. Nach oben offene Zappel-Skala: 8,5.
    Eine Woche lang durfte Jürgen sich einen abzöllern, dann kam wieder ein Engländer an die Drums. Egal, das Türchen war wieder einen Spalt weiter offen, man sah schon einen Lichtschein hereinfallen. Und ein paar Straßen weiter in der Fliegerklause

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