Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
Schlagzeug? Hast du mal Lust zu spielen? Ich bin eigentlich Gitarrist, wir haben keinen Schlagzeuger im Moment, der ist gegangen. Spiel doch mal.“ Klar spiel ich mal! Jürgen donnerte durch „Summertime Blues“ und weil wieder einmal der Zöller-zeigts-allen-da-kennt-der-gar-nix-Tag im Kalender stand, sang er gleich noch „C’mon everybody“. And let’s get together tonight. Soweit kamen sie an diesem Abend immerhin fürs Erste. Als Jürgen schwitzig dem Hocker entstieg, hatte er den Job. Mehr oder weniger. Aber er traf seine Traumband erst Monate später wieder, zufällig. „Oh Mensch, wir haben ganz vergessen, die Telefonnummern auszutauschen, hast du Zeit? Wir spielen in Hanau, komm doch mal vorbei“ Jürgen punktete bei Richard, dem Bassisten, rezitierte ihm den kompletten Text von „Like A Rolling Stone“, die Platte war gerade mal zwei Wochen alt. Komisch. War das jetzt der mündliche Teil der Aufnahmeprüfung? Jedenfalls hatte er jetzt den Job. Wirklich.
„Wir kriegen einen Plattenvertrag!“ Der Satz wird gern gehört in Proberäumen. Im Spätjahr 1965 hörte man ihn im Proberaum der „King Beats“ öfter. Das Ereignis war die Folge eines gewonnenen Beat-Wettbewerbs in Frankfurt-Ginnheim. Hans Podehl war der Mann aus der Jury, dessen Botschaft lautete: „Und zwar von mir“ Weil: „Jungs, da ist Talent, das seh’ ich doch sofort, ich kenn’ mich da aus.“ Zum Beweis seiner Kennerschaft in allen entscheidenden Dingen des Business holte er ein teures Dupont-Feuerzeug aus der Jackentasche. „Wisst Ihr, was das ist?“ fragte er mit herablassendem Blick. Man schaute näher hin, betrachtete unterwürfigst eine Gravur mit den Berge versetzenden Worten: „Vielen Dank, Hans.“ Das aber war nicht die entscheidende Botschaft. Lässig überging Podehl die ehrfürchtigen Mienen der versammelten Jungmusikerschaft. „Weißte den Unterschied zwischen einem Dupont und einem Dunhill?“ fragte er fordernd und reißerisch, wippenden Fußes, machte das gute Stück auf und wieder zu. Dann wartete er einen Moment jovial in die Stille hinein und prustete schließlich triumphierend in die angespannten Gesichter:. „Der Sound!“ Das also war der Mann, in dessen Hände sie gerade ihr Schicksal zu legen im Begriff waren. Na gut.
Podehl war ein Multitalent, ein Multifunktionär, ein ziemlich schlauer Fuchs und auch verschlagen, wie sich später herausstellen sollte. Mitte der 60er Jahre saß er auf einer Position, in der man Karrieren fördern oder abwürgen konnte. Einer Position, die es so heute in diesem Geschäft nicht mehr gibt. Podehl war Programmgestalter und Redakteur beim Hessischen Rundfunk für die Sendung „Frankfurter Schlagerbörse“, jeden Donnerstag. Der Moderator war der später legendäre Hans Verres. Sein Spruch war „… und wenn Sie Zeit haben, hüpfen Sie“, und er nahm nie ein Blatt vor den Mund. In der Zeit war es noch völlig normal, dass sich Moderatoren in der Sendung auch mal lautstark ärgerten über die Musik, die sie spielten. Oder sie feierten. Oder die Musik, die sie nicht ertrugen, einfach nicht spielten. Menschen eben, wie Jahrzehnte später im BAP-Song „Eddies Radio-Show“ beschrieben. Podehl war selbst Trommler, hatte bei Catarina Valente Schlagzeug gespielt und produziert. Er war ein richtiger Bigband-Trommler, ein gelernter Swinger mit kleinen fetten Händen. Beim Spielen biss er sich im Takt auf die Lippen in seinem kleinen fetten Kopf, der oben auf dem kleinen fetten Körper aufgeschraubt war. Podehl sah aus wie eine Karikatur. Einer dieser wuseligen Managertypen aus amerikanischen Schwarzweißfilmen der 40er Jahre, oder wie „Schweinchen Dick“, für die Andersgläubigen. Im Lauf der Jahre quoll er auf, dickte akkurat nach und wurde Schweinchen Sehr Sehr Dick. Parallel dazu nahm er neue, horizontsprengende künstlerische Herausforderungen der Güteklasse A an. Mit einer Band namens „Clo-Schahs“ und Titeln wie „Alles Scheiße deine Elli“, „Ein Arsch ist kein Gesicht“ oder „Nuttenbetriebsausflug“ suchte er neue Wege für die textliche Erneuerung des anspruchsvollen deutschen Liedgutes. Podehls Musikgeschmack war schon zu King Beats-Zeiten zweifelhaft, aber später wurde er jenseits von Gut und Böse. Eins musste man ihm aber lassen: Er kannte sich aus. Er konnte den jungen Beat-Künstlern viel erzählen über die Zeit vor ihrer Zeit, über die Bigband-Ära vor allem. Er hatte eine riesige Plattensammlung, und zum Zeichen seiner immens hohen
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