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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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ausmachen. „Das ist ja die glatte Wand“, dachte er, während er sich zwischen den Büschen hochzog, zu langsam für den Unteroffizier. Der Uffz. griff zu. Der war ein Mann, ein richtiger Mann, ein Held. Der packte zu, bis die Haut an den Knöcheln ganz weiß wurde, der packte Jürgen am Gewehrriemen und zerrte ihn hoch wie ein lästiges Gepäckstück, einen widerborstigen Hund oder den Kadaver des Russenfeindes. Oben an der Kante rutschte er ab, Jürgen spürte den Abdruck des Vorgesetztenstiefels mitten im Gesicht. Geht ja gut weiter. „Mrrrrschmrrrsch!“ Bloß keine Müdigkeit vorschützen. Harrr! Vor-Schützen! Schützenreihe, vor was schützen? Ein ganzes Geäst kam ihm entgegengeflogen, von allen Seiten. Wieso hat denn das Arschloch vor mir …? Zu spät, schon schrappte ein halber Baum ihm in die Fresse. Na super. Oh Lippen voller Dornen … Ihm war zum Kotzen, Heulen. Aber der Unteroffizier Dumpf Webel, das Sturmgeschütz der kämpfenden Truppe, erwartete sportliche Beschwingtheit. Sieger hüpften und tänzelten gefälligst Blut spritzend mit einem Lächeln auf den aufgerissenen Lippen über die Felder der Gemarkung Idar-Oberstein, jawoll! Da konnten die Dornen ihnen noch so weit aus dem Maul hängen. „Händeeee bißßß zum Koppell-schlossss durchschlagen!“ Jawoll, Sieger schlugen die Hände bis zum Koppelschloss durch, während sie mit zwischen die Zähne geklemmter Panzerfaust auf den eingeschlagenen Schädeln ihrer Feinde voltigierten. Ein Krieg war ja schließlich kein Spaziergang, und das hier war Krieg. So sehr, dass auch schon mal ein rot-weißes Absperrband auftauchte, an dem ein Zettel hing mit der krakeligen Schrift eines Webels: ABC-verseuchtes Gebiet. Da musste man dann schnell die Schutzmaske aufsetzen, wie im Ernstfall. Und wie im Ernstfall war da nun auch schon der Schießplatz, extra für den Verteidigungsfall eingerichtet. „Was ist los? Wollen Sie schlappmachen?“ brüllte der nächste Unteroffizier und zeigte gelblich auf die Gewehrgranaten. Das, soviel wusste des Schützen schwappender Geist gerade noch, das hatte er noch nie gemacht. Ja, da würde er schon gerne schlappmachen wollen. „Hier, stellen Sie sich nicht so an wie die Oma beim Scheißen. Wenn der Russe kommt, haben Sie auch nicht soviel Zeit!“ zeterte der lebende Donnerbalken, das sprechende Scheißhaus, die sinnlose Eiweißzusammenballung, links hinten aus seinem fauligen Maul. Draufschrauben, Hand ums Gewehr, ganz fest, durchziehen. Der Webel feixte. „Wird das?“ Es wurde: Ein Salto rückwärts, der Schütze lag vom Rückstoß erledigt flach. Der Kopf sauste, zwei identische Webel-Nebel tanzten vor seinen Augen. Der Doppelwe-belnebel schaute ihn aus kubikmetergroßen violettschwarzen Tränensacklandschaften an. „Mit Schlappschwänzen wie Ihnen kann man ja keinen Krieg gewinnen“, befand er streng wissenschaftlich und wies verächtlich zur Seite. Da standen sie hintereinander in Reihe, die Kameraden, und warteten brav darauf, dass sie Pappkameraden umnieten durften, die nebeneinander in Reihe standen. Jürgen taumelte mehr als dass er ging. Just als er gerade ordnungsgemäß „zum Vorrrdermannnn aufschließßßßen!“ wollte, selbstverständlich die Hände bis zum Koppelschloss so gut es ging durchschlagend, machte der Vordermann eine ausschweifende Bewegung und haute ihm dabei das Gewehr ins Gesicht. Ah, das Universum … Alle Planeten und die Fixsterne dazu, das musste jetzt wirklich der Krieg sein. Der unerklärte Krieg gegen ihn, den wehrpflichtigen Jürgen Z. Der sich Nicht-Mehr-Verteidigen-Können-Fall, der einfach so über ihn hereinbrach wie der wöchentliche Spindappell, die täglichen Beleidigungen durch gehirnamputierte Vorgesetzte, der Gestank singender, im Strahl um sich erbrechender Kameraden. Ein toller Film, mit Logenplatz. Und keiner konnte raus, bevor der Abspann lief. Jürgen erinnerte sich an fast nichts mehr, als er an diesem Abend in die Stube wackelte. Irgendwie hatte er noch geschossen. Irgendwie war er hierher zurückgekommen, blutverschmiert, verdreckt und stinkend. Sechs Stunden waren das vielleicht gewesen, in denen dieser Film ablief vom Stehaufmännchen, das von einer Erniedrigung in die nächste torkelte. Bevor er einschlief, wusste er genau: ich muss hier weg. Und als er wieder aufwachte, wusste er es immer noch.

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Von Ganoven und guten Freunden: Das Top Cat
     
    Der Fluchtreflex reichte vorläufig nur fürs Wochenende. In Bad Soden gab es eine neue Diskothek, unterm Dach

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