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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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– ein Staat im Staate entstanden. Er hatte nichts davon gewusst, als er angekommen war. Nichts von dem Ruf des alten Fischerdorfs, das aus dem Dornröschenschlaf erwacht war und sich aufgemacht hatte, Touristenat-traktion und Hippie-Paradies gleichzeitig zu werden. Aber da lag es nun vor ihm. Er spürte es förmlich und war elektrisiert wie … wie von … ja, von was? Er musste schon eine Weile überlegen, bis ihm Vergleiche einfallen wollten. London? Aber auch nur an bestimmten ausgewählten Ecken. Hier dagegen war es überall. Ein Versprechen schien in der Luft zu liegen. Junge Menschen aus aller Welt ließen hier alles hinter sich oder taten zumindest für eine Weile so, als ob. Sie waren mit dem Flieger gekommen, sie waren getrampt, sie waren mit voller Absicht gestrandet. Manche mit Rückflugticket, andere ohne. Einige mit der Absicht, ihr Glück zu machen, andere um das Gefühl auszukosten, ein Leben ohne Stundenplan und feste Regeln führen zu können, so schien es auf den ersten Blick. Er guckte ein zweites Mal hin, und es sah immer noch so faszinierend aus wie beim ersten Mal. War das die neue Gesellschaft, von der man irgendwie die ganze Zeit diffus träumte? Die Gesellschaft, die aus dem Vinyl, das man hörte, zu einem sprach? Er rieb sich die Augen. Es musste doch auch Menschen geben, die hier arbeiteten, irgendjemand musste den Laden doch in Betrieb halten. Er fand es schnell heraus. Es gab sie. Aber auch sie waren nachts unterwegs. Alle schienen auf einem gemeinsamen Trip zu sein. Zeit für Jugend forscht und Expeditionen. Hierher wollte Jürgen zurückkehren, wenn die weiblichen Mitglieder der Soul Sisters wieder nach Deutschland zurückgefahren sein würden. Das wusste er in dem Moment, als er zum ersten Mal die Carihuela hinunter schlenderte. I was walking down the lonely street. Dadam dada. Er hatte genug Geld verdient, um sich ein paar Wochen durchschlagen zu können, weiter denken war in diesem Sommer das Undenkbare schlechthin. Seine Platten hatte er dabei, es musste doch möglich sein, als DJ zu arbeiten. Vielleicht war ja irgendwo noch ein Plätzchen auf einem Drumhocker frei.
    Jürgen streifte begeistert durch das Städtchen, entdeckte auf der Calle San Miguel, der Hauptstrasse, ein Schallplattengeschäft. Es war die Woche, in der das erste
Led-Zeppelin-Album
erschien. Die Platte, auf der John Bonham gleich in den ersten Takten von „Good Times, Bad Times“ Maßstäbe für technisch versiertes Heavy-Drumming setzte. Jürgen kam mit dem Besitzer des Plattenladens ins Gespräch, und der Torremolinos-Effekt wurde ihm erstmals bewusst: es brauchte keine langen Erklärungen, um bisher völlig Fremde einander bekannt zu machen. Es gab eine gemeinsame Sprache, die sich über die musikalischen Vorlieben definierte. Als Jürgen den Laden wieder verließ, hatte er eine kleine Anstellung als Hilfs-Plattenverkäufer in der Tasche, und würde künftig auch einen Teil seines Lohns in Naturalien ausbezahlt bekommen.
    Eine Woche war Jürgen in Torremolinos, als sein Plan – wenn es denn einer war – schon halbwegs aufging: in der „Oberstadt“ marschierte er forsch wie immer auf den Chef des
Beach Comber
zu und bot seine Dienste als DJ an. Der konnte ihn nicht gebrauchen, verwies aber freundlich auf eine Diskothek, die ebenfalls ihm gehörte. „Talk to the DJ, bring your records, he’ll see what he can do …“ So lief das. Man machte einen Vertrag per Handschlag, das Geld gab’s ebenfalls auf diese Hand. Jürgen fand extrem schnell heraus, dass er es sich für den Lohn eines Arbeitstages rund drei Tage lang gut gehen lassen konnte. Den dazugehörigen anspruchslosen Lebensstil erlernte er schnell. Man musste nur schauen, wie es die anderen machten, und schon hatte man eine den Verhältnissen angepasste Spezialdiät drauf, von der der Engländer sagen würde: „Don’t try this at home.“ Die goldenen Regeln lauteten: Schlafe grundsätzlich nie, zumindest nicht vorsätzlich. Schlafen kannst du, wenn du tot bist. Nutze zweitens die Wonnen des von internationalen Experten eigens für die Sonder-Erlebnis-Zone Torremolinos und ihre vielfältigen Daseinsformen entwickelten und in aufopfernden Selbstversuchen getesteten Segnungen des Ersatzschlafes. Das heißt, sei drittens und viertens ständig blödsinnig bekifft und schlucke so viele Pillen wie möglich. Verhalte dich auch am Tag entsprechend. Allzu viel Abwechslung in der Ernährung verwirrt deinen Organismus. Iss also morgens fünftens ein paar

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