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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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hatte. Aber es schob sich ein anderer Gedanke immer wieder und immer öfter wie eine blöde Wolke davor: Was machst du morgen, was machst du übermorgen, was machst du überhaupt aus deinem Leben? Er merkte, dass auch seine flüchtigen Beziehungen zu den Mädchen, über die er sich bis dahin nie Gedanken gemacht hatte, ihn zu beschäftigen anfingen. War das wirklich das Ideal der freien Liebe, wenn er irgendwelchen arglosen Mädchen die große Mitleidsstory vom mittellosen Deserteur zu erzählen begann? Der nicht in die Heimat zurück konnte, weil er dort sofort verhaftet würde? Die Mädchen bekamen dann ihren Spaß, und er einen Zuschuss aus ihrer Reisekasse. Es war ein Geschäft geworden, schleichend. Gut, die verschärfte Mitleidsvariante hatte er noch nicht oft ausgepackt, aber es kam doch zunehmend vor. Was er wiederum zunehmend unwürdig fand. Frustrierend. Eklig eigentlich sogar. Das und die Unmöglichkeit, eine Band zu finden, nagten an ihm, er wurde zunehmend kribbelig, zappelig. Und das hatte nichts mehr mit der so sehr herbeigesehnten Zappel-Skala zu tun. Auf der hatte es schon länger keinen Ausschlag gegeben. Spätestens seit der Pleite mit Los Gong. Heimweh? Nein. Nur in dem Sinn, „normal“ leben zu können. Was war überhaupt normal in seiner damaligen Vorstellung? Sich auf die Straße zu trauen, den Personalausweis vorzeigen zu können, ohne nach einem potentiellen Fluchtweg Ausschau halten zu müssen. Und ja, Himmelherrgottsack, Trommeln! Doch es war kein freier Schlagzeughocker in Sicht, nirgends. Musik machen, wie fühlte sich das überhaupt noch mal an?
    Es war doch keine Insel der Glückseligen, dieses Hippieparadies mitten im Spanien der Franco-Faschisten. Er sah die Guardia Civil, die knüppelharte Polizei, zur Razzia blasen. Erst wurden die Trips und das Haschisch konfisziert. Dann prügelte der paramilitärische Polizeimob los, zerrte Leute an den Haaren durch die Straße, schleifte sie weg und trieb sie mit Handschellen gefesselt aus der Stadt. Drei Dutzend Hippies ketteten sie mit Fußketten aneinander und ließen sie von Torremolinos bis Malaga laufen, dort wanderten sie in den Knast. Vielleicht war es dieser Moment, in dem sich die blöde Wolke entlud, der Moment, da er wusste, dass er nicht mehr nur von Luft und Liebe leben konnte. Dieses gespenstische und bedrückende Bild von einem bedrohten oder nur vermeintlichen Paradies wurde der Auslöser für einen Gedanken, der lauter wurde als die ganze Musik, die in Jürgens Kopf spielte: „Ich gehe zurück nach Deutschland, gehe zur Bundeswehr, stelle mich und bring das hinter mich, schließ das einfach ab“.
    Aber wie? Der Zufall half. Der Zufall war ein Auto mit Bad Homburger Kennzeichen, über das Jürgen auf dem Weg vom
Smugglers Saloon
in die Stadt stolperte. Schnell verfasste er eine Botschaft und klemmt sie dem Landsmann unter den Scheibenwischer. „Hallo, ich heiße Jürgen Zöller und komme aus Neuenhain, ich arbeite im
Smugglers Saloon
als Discjockey, wenn du Lust hast, komm mal vorbei.“ Der Bad Homburger hatte Lust, aber Jürgen war nicht da. Hinterm Tresen hingen die vier Fotos vom weißen Album der Beatles, einer deutete auf Ringo Starr und meinte: „Könnte er ungefähr so aussehen?“ „Ja, das könnte sein.“ Es ist ein typischer Fall von „Ach, was ist die Welt so klein“: Der Autobesitzer war der Bruder von Peter Meier aus Königstein. „Der Peter Meier, der Bass spielt?“ „Genau der.“
    Am 21. Juli 1969 setzte der Amerikaner Neil Armstrong als erster Mensch seinen Fuß auf den Mond. Am gleichen Tag kam Peter Meier aus Königstein im Taunus nach Torremolinos, um den ziemlich dürr gewordenen Jürgen Zöller nach Deutschland zurückzubringen. Die Mondlandung schauten sich die Herren noch in einem Hotel in Malaga an, dann verließen sie Spanien.

12
Der Hippie in mir: Vom bürgerlichen Leben zur freien Improvisation
     
    Wieder lief der Grenzübertritt reibungslos, keine Verhaftung, keine Feldjäger. Jürgen, der überhaupt keine Papiere bei sich hatte, versteckte sich einfach unter dem Sitz. Wieder steuerte er zielstrebig das
Top Cat
an. „Die Bundeswehr hat kein Interesse mehr an Ihnen. Sie sind ein Zivilfall.“ Ein Zivilfall. Was war denn nun das? Da hatte er so lange mit sich gerungen, Blut und Wasser geschwitzt, sich endlich in Mainz den Feldjägern gestellt, und nun das! Mit dem Streifenwagen brachten sie ihn in Gefängnis in die Untersuchungshaft. Dem Spuk hätte er längst schnell ein Ende gemacht

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